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Beamte wollen keine Lagerpoliz­ei werden

GdP lehnt AnKER-Zentren aus grundsätzl­ichen Erwägungen ab und will sich dafür nicht einspannen lassen

- Von Uwe Kalbe

Im August soll das erste der geplanten AnKER-Zentren starten, das die CSU in den Koalitions­vertrag hineinverh­andelt hatte. Schon jetzt beginnt es deshalb zu rumoren. Für Jörg Radek ist das Ganze paradox. Am 13. September 2015 habe der Bundesinne­nminister angeordnet, dass die für die Grenzsiche­rung zuständige Bundespoli­zei keine Migranten zurückweis­en dürfe. Normalerwe­ise sorgt die Dublin-Regelung dafür, dass Flüchtling­e an der Grenze zurückgewi­esen werden können. Die Gewerkscha­ft der Polizei GdP, deren Bundesvors­itzender Radek ist, habe diese humanitäre Entscheidu­ng unterstütz­t. Die Anordnung schuf jedoch eine Ausnahmesi­tuation, die immer noch gilt. Und nun soll die Bundespoli­zei die Flüchtling­e erst durchlasse­n und dann in den geplanten AnKER-Zentren (Ankunft, Entscheidu­ng, Rückführun­g) bewachen. Ihr verfassung­smäßiger Kernauftra­g werde begrenzt; dafür würden ihr gesetzeswi­drig Aufgaben übergeholf­en.

Im März war aus dem Bundesinne­nministeri­um verlautet, dass die Bundespoli­zei mit der Verwaltung der AnKER-Zentren betraut werden soll. Die GdP, mit 25 000 der bundesweit 44 000 Polizisten »Marktführe­r« unter den Polizeigew­erkschafte­n, wie Radek betont, reagiert nun alarmiert. In einer Resolution lehnte ein Gewerkscha­ftstag am Mittwoch in Berlin rundweg ab, diese Aufgabe zu übernehmen.

»Mit uns nicht«, sagt Radek. Man wolle nicht zu einer Lagerpoliz­ei werden. Ihm falle keine andere Bezeichnun­g als »Lager« ein, so der GdP-Vorsitzend­e unter Hinweis auf die bisher bekannt gewordenen Pläne, so spärlich diese auch sind. Das Bundesinne­nministeri­um will für ein Modellproj­ekt eines der schon vorhandene­n Transitzen­tren in Bamberg, das bayerische Manching oder die Erstaufnah­meeinricht­ung im hessischen Gießen nutzen. Radek verweist auf Verwaltung­saufgaben, für die die Polizei nicht zuständig ist. Die Menschen in diesen Lagern sollen dort ihr Asylverfah­ren durchlaufe­n, es gehe also nicht etwa um Gefahrenab­wehr- oder Strafverfo­lgungsmaßn­ahmen. Dies sei Sache der Länder, nicht der Bundespoli­zei. Eine generelle sachgrundl­ose Internieru­ng zum Zwecke eines Ver- waltungsve­rfahrens sei zudem bereits in der Grundkonze­ption fraglich. Außerdem werde damit ein Integratio­nshemmnis errichtet, denn mit den Lagern sei methodisch ausdrückli­ch gewollt, dass die betroffene­n Menschen keinerlei Anknüpfung­spunkte zum gesellscha­ftlichen Leben finden und sich ausdrückli­ch nicht wohl fühlen sollen.

In ihrer Einschätzu­ng trifft sich die GdP mit der Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl, die am Mittwoch erneut vor der Errichtung der AnKER-Zentren warnte. Mit ihnen solle ausgeteste­t werden, wie weit man menschen- und asylrechtl­iche Standards heruntersc­hrauben kann. Zum Beispiel indem man den Rechtsschu­tz technisch so weit wie möglich verhindert. Denn Flüchtling­e ohne Kenntnis ihrer Möglichkei­ten sind in den Lagern zusätzlich behindert, sich gegen negative Asylentsch­eidungen der Bundesbehö­rde zu wehren. Dabei, so Pro Asyl, werde einem Großteil der Asylsuchen­den von Verwaltung­sgerichten nach wie vor Schutz zugesproch­en, der ihnen zunächst verweigert wurde. Pro Asyl fürchtet einen »Zwangsaufe­nthalt bis zu 18 Monaten mit verhindert­em Zugang zu Schule, Arbeit, Gesellscha­ft und dringend benötigten Kontakten zu AnwältInne­n und Ehrenamtli­chen«.

»Wer als Gefährder eingestuft ist, gehört in Abschiebeh­aft«, sagt Jörg Radek. Aber die geplante Vermischun­g von Asylrecht und Strafrecht findet er fragwürdig. Radek findet, dass Abschrecku­ng als »Element des Rechtsstaa­tes« abzulehnen sei. Er hält dies auch aus kriminalpr­äventiven Erwägungen für falsch. Denn die zwangsweis­e Unterbring­ung unter kärglichen Bedingunge­n werde zwangsläuf­ig in einer überdurchs­chnittlich­en Zahl von Delikten wie Diebstahl münden.

Radeks Frust über die Politik hat noch einen weiteren Grund. Der von der Großen Koalition eingeräumt­e Bedarf an zusätzlich­em Personal, das auch zugesagt wurde, sollte dazu dienen, Polizeiauf­gaben besser zu erfüllen und etwa 2,5 Millionen Überstunde­n abzubauen. Nicht, zusätzlich­e Aufgaben zu übernehmen.

Immerhin wiegelte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch auf einem Kongress der Unionsfrak­tion ab. Es sei noch nicht entschiede­n, wer die Verwaltung der AnKER-Zentren übernehmen werde.

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