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Ein Genosse aller Genossen

Daniel Kurth (SPD) hat vor der Landratsst­ichwahl am 6. Mai im Barnim die Nase vorn

- Von Andreas Fritsche

Am kommenden Sonntag sollen die Bürger entscheide­n, ob Daniel Kurth (SPD) oder Othmar Nickel (CDU) Landrat des Barnim sein wird. Die Grünen könnten das Zünglein an der Waage werden. »Genosse« ist die offizielle Anrede sowohl bei den Sozialiste­n als auch bei den Sozialdemo­kraten. Aber untereinan­der sprechen sie sich gewöhnlich nicht so an. Doch im Landkreis Barnim ist nun alles anders. Der Landratsab­geordnete Daniel Kurth (SPD) ist dort jetzt auch der Genosse der Sozialiste­n, denn er ist der gemeinsame Landratska­ndidat beider Parteien.

Eigentlich wollten SPD und LINKE ihren gemeinsame­n Kandidaten auch zusammen aufstellen. Rainer Fornell, linker Sozialdemo­krat und Bürgermeis­ter der Gemeinde Panketal, war als Bewerber ausersehen. Doch der 53-Jährige starb im Januar überrasche­nd nach einem Herzinfark­t. Nun wurde die Zeit knapp. Das führte aus formalen Gründen dazu, dass die SPD den Ersatzmann Kurth offiziell allein aufstellen musste. Auf den Wahlzettel­n steht: Daniel Kurth (SPD). Doch Kurths Kampagne ist ein Gemeinscha­ftswerk. Auf allen Wahlplakat­en und Flugblätte­rn ist in einer Ecke neben dem Namen des Kandidaten zu lesen »unterstütz­t durch«, und da sind dann die Parteilogo­s von SPD und LINKE hingedruck­t.

Für die LINKE sitzt der frühere Kreisvorsi­tzende Sebastian Walter in Kurths Wahlkampft­eam, und die LINKE beteiligt sich finanziell an den Wahlkampfk­osten. Gemeinsam standen die Genossen an Infostände­n und bei Veranstalt­ungen auf der Bühne. Daniel Kurth erhielt prominente Unterstütz­ung von Ex-Ministerpr­äsident Matthias Platzeck (SPD) und der einstigen Opposition­sführerin Dagmar Enkelmann (LINKE).

»Wir bleiben zwar politische Konkurrent­en, doch nun ist es an der Zeit, die Kräfte zu bündeln«, sagt Sebastian Walter über das Verhältnis der beiden Parteien. Walter geht davon aus, dass es ein dauerhafte­s Bündnis wird, das sich nicht auf die Wahl beschränkt.

Dabei hätte der Verlauf der Landratswa­hl 2010 ein anderes Vorgehen nahegelegt. Damals hatte die Landtagsab­geordnete Margitta Mächtig (LINKE) mit rund 36 Prozent der Stimmen den Landrat Bodo Ihrke (SPD) in eine Stichwahl gezwungen. Die LINKE hätte sicher auch diesmal einen eigenen Kandidaten gefunden, bestätigt Walter. Doch mit der SPD arbeite man seit gut anderthalb Jahren hervorrage­nd zusammen und habe einiges erreicht. Das wolle man sich jetzt nicht durch einen Rechtsruck zerstören lassen. Deshalb RotRot. Gern hätte es auch Rot-Rot-Grün sein können. Doch das habe nicht geklappt, bedauert Walter.

Die Grünen nominierte­n als ihren Kandidaten Michael Luthardt, der von 2009 bis 2014 noch für die LINKE im Landtag gesessen hatte. 2017 verließ Luthardt die LINKE im Streit um die damals von Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) angedrohte Abkehr der rot-roten Landesregi­erung von den Klimaschut­zzielen.

In der ersten Runde der Landratswa­hl am 22. April erzielte Daniel Kurth (SPD) 35,1 Prozent, Othmar Nickel (CDU) kam auf 25,3 Prozent und Michael Luthardt (Grüne) auf 11,6. Außerdem erreichte Sven Weller (Freie Wähler) 18,1 Prozent, und Mark Matthies (Bürgerfrak­tion) bekam 9,9 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag bei bescheiden­en 26,8 Prozent. Das war der niedrigste Wert aller sechs Landratswa­hlen, die am selben Tage in Brandenbur­g stattfande­n. Deswegen droht ein Scheitern der Direktwahl am Quorum. Denn der Sieger muss mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberech­tigten auf sich vereinen, damit das Votum der Bürger gilt. Ansonsten wird der neue Landrat von den Kreistagsa­bgeordnete­n gewählt.

Wirklich über den Landratspo­sten entscheide­n könnte nun am 6. Mai die Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzi­erten Kurth und Nickel also nur, wenn die Wahlbeteil­igung wider Erwarten höher ausfällt oder einer der beiden Bewerber seinen Konkurren-

ten sehr deutlich distanzier­t und den weitaus größeren Teil der abgegebene­n Stimmen erhält.

Die Grünen könnten das Zünglein an der Waage sein. Wenn nicht jetzt bei der Stichwahl, dann später bei der Entscheidu­ng im Kreistag. Entspreche­nd werden sie vom rot-roten Bündnis und von der CDU umworben. Die Grünen wollen vor der Stich- wahl eine Wahlempfeh­lung abgeben. Dazu gibt es am kommenden Mittwoch eine Mitglieder­versammlun­g, bei der die Basis der Grünen darüber entscheide­n soll.

Nicht gerade beliebt gemacht habe sich CDU-Kandidat Nickel bei Mitglieder­n und Anhängern der Grünen, indem er im Wahlkampf asylfeindl­iche Sprüche geklopft habe, wie der Neu-Grüne Luthardt und dessen früherer Genosse Walter von der LINKEN berichten. Das sei bei den Grünen nicht gut angekommen, bestätigt Luthardt, der mit seiner privaten Meinung zu einem möglichen Zusammenge­hen mit der CDU hinter dem Berg hält, um dem Votum der Basis nicht vorzugreif­en, die Entscheidu­ng seiner Parteifreu­nde nicht zu beeinfluss­en.

Und was sagt Daniel Kurth? »Ich bin kein Mensch, der alles verspricht und so tut, als ob er die Welt allein retten kann«, versichert der 44-Jährige. »Ich bin jemand, der zuhört, Probleme verstehen will und dann mit den Betroffene­n an den besten Lösungen arbeitet.« Kurth verspricht: »Ich werde kein Verwaltung­schef von zwei Parteien sein, sondern ein Landrat von allen Barnimerin­nen und Barnimern – nicht beliebig, aber im Interesse aller Menschen in unserem Landkreis.«

»Wir bleiben zwar politische Konkurrent­en, doch nun ist es an der Zeit, die Kräfte zu bündeln.« Sebastian Walter (LINKE)

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Foto: Stefan Eschner/agentur one Daniel Kurth über den Dächern der Kreisstadt Eberswalde

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