Ein Genosse aller Genossen
Daniel Kurth (SPD) hat vor der Landratsstichwahl am 6. Mai im Barnim die Nase vorn
Am kommenden Sonntag sollen die Bürger entscheiden, ob Daniel Kurth (SPD) oder Othmar Nickel (CDU) Landrat des Barnim sein wird. Die Grünen könnten das Zünglein an der Waage werden. »Genosse« ist die offizielle Anrede sowohl bei den Sozialisten als auch bei den Sozialdemokraten. Aber untereinander sprechen sie sich gewöhnlich nicht so an. Doch im Landkreis Barnim ist nun alles anders. Der Landratsabgeordnete Daniel Kurth (SPD) ist dort jetzt auch der Genosse der Sozialisten, denn er ist der gemeinsame Landratskandidat beider Parteien.
Eigentlich wollten SPD und LINKE ihren gemeinsamen Kandidaten auch zusammen aufstellen. Rainer Fornell, linker Sozialdemokrat und Bürgermeister der Gemeinde Panketal, war als Bewerber ausersehen. Doch der 53-Jährige starb im Januar überraschend nach einem Herzinfarkt. Nun wurde die Zeit knapp. Das führte aus formalen Gründen dazu, dass die SPD den Ersatzmann Kurth offiziell allein aufstellen musste. Auf den Wahlzetteln steht: Daniel Kurth (SPD). Doch Kurths Kampagne ist ein Gemeinschaftswerk. Auf allen Wahlplakaten und Flugblättern ist in einer Ecke neben dem Namen des Kandidaten zu lesen »unterstützt durch«, und da sind dann die Parteilogos von SPD und LINKE hingedruckt.
Für die LINKE sitzt der frühere Kreisvorsitzende Sebastian Walter in Kurths Wahlkampfteam, und die LINKE beteiligt sich finanziell an den Wahlkampfkosten. Gemeinsam standen die Genossen an Infoständen und bei Veranstaltungen auf der Bühne. Daniel Kurth erhielt prominente Unterstützung von Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der einstigen Oppositionsführerin Dagmar Enkelmann (LINKE).
»Wir bleiben zwar politische Konkurrenten, doch nun ist es an der Zeit, die Kräfte zu bündeln«, sagt Sebastian Walter über das Verhältnis der beiden Parteien. Walter geht davon aus, dass es ein dauerhaftes Bündnis wird, das sich nicht auf die Wahl beschränkt.
Dabei hätte der Verlauf der Landratswahl 2010 ein anderes Vorgehen nahegelegt. Damals hatte die Landtagsabgeordnete Margitta Mächtig (LINKE) mit rund 36 Prozent der Stimmen den Landrat Bodo Ihrke (SPD) in eine Stichwahl gezwungen. Die LINKE hätte sicher auch diesmal einen eigenen Kandidaten gefunden, bestätigt Walter. Doch mit der SPD arbeite man seit gut anderthalb Jahren hervorragend zusammen und habe einiges erreicht. Das wolle man sich jetzt nicht durch einen Rechtsruck zerstören lassen. Deshalb RotRot. Gern hätte es auch Rot-Rot-Grün sein können. Doch das habe nicht geklappt, bedauert Walter.
Die Grünen nominierten als ihren Kandidaten Michael Luthardt, der von 2009 bis 2014 noch für die LINKE im Landtag gesessen hatte. 2017 verließ Luthardt die LINKE im Streit um die damals von Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) angedrohte Abkehr der rot-roten Landesregierung von den Klimaschutzzielen.
In der ersten Runde der Landratswahl am 22. April erzielte Daniel Kurth (SPD) 35,1 Prozent, Othmar Nickel (CDU) kam auf 25,3 Prozent und Michael Luthardt (Grüne) auf 11,6. Außerdem erreichte Sven Weller (Freie Wähler) 18,1 Prozent, und Mark Matthies (Bürgerfraktion) bekam 9,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei bescheidenen 26,8 Prozent. Das war der niedrigste Wert aller sechs Landratswahlen, die am selben Tage in Brandenburg stattfanden. Deswegen droht ein Scheitern der Direktwahl am Quorum. Denn der Sieger muss mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich vereinen, damit das Votum der Bürger gilt. Ansonsten wird der neue Landrat von den Kreistagsabgeordneten gewählt.
Wirklich über den Landratsposten entscheiden könnte nun am 6. Mai die Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten Kurth und Nickel also nur, wenn die Wahlbeteiligung wider Erwarten höher ausfällt oder einer der beiden Bewerber seinen Konkurren-
ten sehr deutlich distanziert und den weitaus größeren Teil der abgegebenen Stimmen erhält.
Die Grünen könnten das Zünglein an der Waage sein. Wenn nicht jetzt bei der Stichwahl, dann später bei der Entscheidung im Kreistag. Entsprechend werden sie vom rot-roten Bündnis und von der CDU umworben. Die Grünen wollen vor der Stich- wahl eine Wahlempfehlung abgeben. Dazu gibt es am kommenden Mittwoch eine Mitgliederversammlung, bei der die Basis der Grünen darüber entscheiden soll.
Nicht gerade beliebt gemacht habe sich CDU-Kandidat Nickel bei Mitgliedern und Anhängern der Grünen, indem er im Wahlkampf asylfeindliche Sprüche geklopft habe, wie der Neu-Grüne Luthardt und dessen früherer Genosse Walter von der LINKEN berichten. Das sei bei den Grünen nicht gut angekommen, bestätigt Luthardt, der mit seiner privaten Meinung zu einem möglichen Zusammengehen mit der CDU hinter dem Berg hält, um dem Votum der Basis nicht vorzugreifen, die Entscheidung seiner Parteifreunde nicht zu beeinflussen.
Und was sagt Daniel Kurth? »Ich bin kein Mensch, der alles verspricht und so tut, als ob er die Welt allein retten kann«, versichert der 44-Jährige. »Ich bin jemand, der zuhört, Probleme verstehen will und dann mit den Betroffenen an den besten Lösungen arbeitet.« Kurth verspricht: »Ich werde kein Verwaltungschef von zwei Parteien sein, sondern ein Landrat von allen Barnimerinnen und Barnimern – nicht beliebig, aber im Interesse aller Menschen in unserem Landkreis.«
»Wir bleiben zwar politische Konkurrenten, doch nun ist es an der Zeit, die Kräfte zu bündeln.« Sebastian Walter (LINKE)