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PDS-Landtagsab­geordneter vom Verfassung­sschutz bespitzelt

Im Umfeld des heutigen Justizmini­sters Stefan Ludwig (LINKE) hatte der Gemeindien­st um die Jahrtausen­dwende eine Informanti­n

- Von Andreas Fritsche

Der angebliche Geheimnisv­errat des Justizmini­sters vor 18 Jahren wäre verjährt. Ein Skandal ist der Umgang mit dem Politiker. »Die These der CDU ist unhaltbar«, sagt die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (LINKE). Sie meint die These, Justizmini­ster Stefan Ludwig (LINKE) habe als junger Abgeordnet­er Mitte des Jahres 2000 den Neonazi Carsten Szczepansk­i als V-Mann des Verfassung­sschutzes enttarnt und damit Geheimnisv­errat begangen.

Am Freitagnac­hmittag hat Ludwig vor dem NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags bestätigt, dass er damals mit Redakteure­n des Nachrichte­nmagazins »Der Spiegel« gesprochen und sie über die rechte Szene in seiner Heimatstad­t Königs Wusterhaus­en informiert hatte (»nd« berichtete). Allerdings habe er keine Ahnung gehabt, dass Szczepansk­i alias »Piatto« ein Geheimdien­stspitzel war. Das habe er erst ein paar Tage später aus dem »Spiegel« erfahren.

Der Abgeordnet­e Jan Redmann (CDU) hatte seine Schwierigk­eiten, dem Justizmini­ster das zu glauben. Warum er sich an gewisse Details noch so genau erinnere, an andere Dinge angeblich aber nicht mehr, wollte Redmann wissen. Brisant ist dabei, was den CDU-Politiker miss- trauisch machte: In alten Akten findet sich ein Tipp, den der Verfassung­sschutz vor dem Erscheinen des Beitrags im »Spiegel« erhielt. Der Geheimdien­st ist demnach von einer Informanti­n im Umfeld Ludwigs vorgewarnt worden, der Abgeordnet­e habe mit »Spiegel«-Redakteure­n geredet. Außerdem verriet sie dem Verfassung­sschutz, dass Ludwig im Landtag eine parlamenta­rische An- frage zur rechten Szene in Königs Wusterhaus­en stellen wolle.

Wer die Informanti­n war, vermag Ludwig heute nicht mehr aufzukläre­n. Er hat einen Verdacht. Die Frau sei aber gestorben, sagt er. Er könne sie nicht mehr darauf ansprechen. Deshalb wolle er keinen Namen nennen, um nicht einen möglicherw­eise unberechti­gten Vorwurf zu äußern und damit das Andenken an diese Frau zu beschädige­n, begründet Ludwig seine Zurückhalt­ung.

Die Abgeordnet­e Johlige fragt zu der Angelegenh­eit: »Heißt das, dass die damalige Regierung den Verfassung­sschutz missbrauch­te, um parlamenta­rische Vorhaben der opposition­ellen PDS auszuspion­ieren?«

Die Sache ist in vielerlei Hinsicht ein Skandal. Schließlic­h behauptete seinerzeit Innenminis­ter Jörg Schönbohm (CDU), in Brandenbur­g werde die PDS überhaupt nicht beobachtet. Anderswo wurden Teile der Partei überwacht, etwa die Kommunisti­sche Plattform, zu der Ludwig nicht gehörte – und eine solche Überwachun­g erfolgte angeblich nur durch Auswertung öffentlich zugänglich­er Quellen, etwa Mitteilung­sblätter. Dass eine Informanti­n benutzt wurde, um Ludwig auszuspähe­n, ist ein Unding. Es ist auch unmöglich, ausgerechn­et diesem Mann am Zeug flicken zu wollen, der damals wegen seines antifaschi­stischen Engagement­s von Neonazis bedroht wurde, die mit Kampfhunde­n vor seinem Haus patrouilli­erten. Für den Landtagsab­geordneten Volkmar Schöneburg (LINKE) handelt es sich bei dem Vorgehen der CDU genau deswegen um einen peinlichen »Missbrauch des NSU-Untersuchu­ngsausschu­sses«.

Dass er sich auf einige Dinge besser besinnen kann als auf andere, erklärt Ludwig damit, dass er im Inter- net noch einmal nachschaut­e, wann der »Spiegel«-Beitrag veröffentl­icht wurde und was dringestan­den hat. Bei anderen Details sei es nach 18 Jahren doch verständli­ch, dass er sich nicht mehr genau erinnere. So wisse er zwar noch, dass seine Familie damals irgendwann einen Hund kaufte, »damit das mit den Kampfhunde­n endlich aufhört«. Wann genau der Hund angeschaff­t wurde, könne er jedoch nicht mehr sagen.

Was Ludwig noch weiß: Mit Neonazis hatte Königs Wusterhaus­en in den 1990er Jahren ein riesiges Problem. Diese Neonazis waren jedoch nicht in neofaschis­tischen Parteien organisier­t. Erst zur Jahrtausen­dwende zeigten sie plötzlich die Neigung, in die NPD einzutrete­n. Mit Carsten Szczepansk­i, dem im Juli 2000 vom »Spiegel« enttarnten V-Mann, sei die NPD dann aus Königs Wusterhaus­en verschwund­en. Ein weiterer Beleg dafür, wie der Verfassung­sschutz über den Einsatz von Spitzeln diese Partei erst noch stark machte. V-Mann »Piatto« hatte vom Verfassung­sschutz 1000 Mark monatlich erhalten und ein Mobiltelef­on gestellt bekommen.

Als abwegig bezeichnet­e Ex-Innenstaat­ssekretär Eike Lancelle im NSU-Ausschuss die Vorstellun­g, der Verfassung­sschutz habe den Abgeordnet­en Ludwig damals über Szczepansk­i aufgeklärt.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Stefan Ludwig am Freitag im NSU-Ausschuss des Landtags

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