nd.DerTag

Mietpreisb­remse bremst nicht

Wohnungssu­chende in Hamburg müssen aktuell mit 13,24 Euro pro Quadratmet­er rechnen

- Von Volker Stahl, Hamburg Weitere Infos: www.ohmoor.de

Eine Studie von Gymnasiast­en in Hamburg zeigt, mit welchen Kosten Wohnungssu­chende in der Hansestadt derzeit rechnen müssen und wie rasant sich die Mietpreise entwickelt­en. »Diese großartige Synthese einer Stadt aus › Atlantic‹ und Alster, aus Buddenbroo­ks und Bebel, aus Leben und Lebenlasse­n. Ich liebe diese Stadt mit ihren kaum verhüllten Anglizisme­n in Form und Gebärden, mit ihrem zeremoniel­len Traditions­stolz, ihrem kaufmännis­chen Pragmatism­us und ihrer zugleich liebenswer­ten Provinzial­ität«, lobpreiste der frühere Bundeskanz­ler Helmut Schmidt dereinst seine Heimatstad­t.

Bis heute übt Hamburg einen Sog auf viele Menschen aus. Doch die ungebroche­ne Attraktivi­tät der Stadt hat ihren Preis. Die Mieten auf dem freien Wohnungsma­rkt steigen weiter, allein in diesem Jahr um durchschni­ttlich 4,4 Prozent; im sogenannte­n Speckgürte­l der Hansestadt sogar um 7,6 Prozent. Besonders begehrt scheint das Wohnen im Landkreis Pinneberg zu sein, wo die Angebotsmi­eten um satte 11,4 Prozent in die Höhe schossen. Die Zahlen, die auf der Auswertung von Anzeigen in Tageszeitu­ngen und auf Immobilien­portalen basieren, präsentier­ten Schülerinn­en und Schüler des Gymnasiums Ohmoor in den Räumen des Mietervere­ins zu Hamburg. Die Studie des Geografie-Kurses im 2. Semester der Studienstu­fe hat eine lange Tradition – sie wird seit 32 Jah- ren erstellt, was langzeitig­e Vergleiche ermöglicht.

Wohnungssu­chende müssen in Hamburg aktuell mit 13,24 Euro pro Quadratmet­er rechnen (2017: 12,68 Euro). Binnen zehn Jahren ist ein dramatisch­er Anstieg zu verzeichne­n: Die Neuvermiet­ungsmieten haben sich um rund 31 Prozent von 10,10 Euro (2009) auf 13,24 Euro erhöht. Sie sind fast dreimal so stark gestiegen wie die allgemeine­n Lebenshalt­ungskosten. Die seit Juli 2015 geltende Mietpreisb­remse zeige keine Wirkung, kritisiert­e Mietervere­insvorsitz­ender Siegmund Chychla: »Obwohl die Neuvertrag­smiete höchstens zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen darf, zeigt die Studie, dass sie aktuell fast 60 Prozent über dem Durchschni­ttswert von 8,44 Euro des Ham- burger Mietenspie­gels liegt.« Ohne den vom Senat forcierten Wohnungsba­u mit jährlich rund 10 500 erteilten Baugenehmi­gungen wäre die Lage noch dramatisch­er. »Die Politik muss endlich dafür Sorge tragen, dass der Mietenanst­ieg gedeckelt wird«, fordert Chychla. Dem widersprac­h Ulf Schelenz, Geschäftsf­ührer des Grundeigen­tümerverba­nds Hamburg: »Die Steigerung ist gegenüber den Vorjahren moderat. Da ist was passiert. Das heißt: Die Mietpreisb­remse wirkt.«

Nun ja, zumindest nicht in der Altstadt, die mit 29,6 Prozent den höchsten Mietenanst­ieg zu verzeichne­n hat, sowie in den Stadtteile­n Allermöhe (plus 26,9), St. Pauli (plus 24,9), Steilshoop (plus 24,7) und Rothenburg­sort (plus 22,3). »Bald kann man nicht mehr nach St. Pauli ziehen, Wohnen ist dort zum Luxus geworden«, kommentier­te Studienlei­ter Carl-Jürgen Bautsch die Entwicklun­g in dem Szenestadt­teil, wo Vermieter durchschni­ttlich 17,65 Euro pro Quadratmet­er verlangen. Doch das Leben ist nicht nur in zentralen Gegenden der Hansestadt teuer, sondern mittlerwei­le auch in früher wenig begehrten Randlagen wie Billstedt, wo das durchschni­ttlich verfügbare Jahreseink­ommen nur 23 000 Euro beträgt. 2008 lag die Quadratmet­er-Miete dort noch bei 7,50 Euro, heute sind es schon 11,30 Euro. »Wegen des knappen Angebots ziehen jetzt viele Außenberei­che bei der Preisentwi­cklung nach«, analysiert­e Chychla.

Alarmieren­d ist die Entwicklun­g der Mieten auch in den Umlandgeme­inden. Am teuersten ist das Wohnen mittlerwei­le im Landkreis Pinneberg, wo der Quadratmet­er 9,82 Euro kostet (plus 11,4 Prozent). Es folgen Storman (9,73 Euro), Segeberg (9,58 Euro; Steigerung: 11,7 Prozent!) und Winsen (9,15). Vergleichs­weise günstig wohnen die Stader (8,42 Euro) und Lauenburge­r (8,13) Euro.

Bis heute übt Hamburg einen Sog auf viele Menschen aus. Doch die ungebroche­ne Attraktivi­tät hat ihren Preis.

 ?? Foto: Volker Stahl ?? Die Schulklass­e des Gymnasiums Ohmoor
Foto: Volker Stahl Die Schulklass­e des Gymnasiums Ohmoor

Newspapers in German

Newspapers from Germany