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Netanjahu bezichtigt Iran der Lüge

Israels Premier präsentier­t angebliche Beweise für iranisches Atomprogra­mm / USA sichten Dokumente

- Von Oliver Eberhardt, Tel Aviv

Mehr als 50 000 Dokumente will der israelisch­e Auslandsge­heimdienst Mossad aus Iran erbeutet haben. Netanjahu fordert die Wiedereinf­ührung von Sanktionen. Auf dem Podium wurde eine Bücherei nachgebaut, auf einer Leinwand flimmerten Grafiken und Schaubilde­r: Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte am Montagaben­d im Verteidigu­ngsministe­rium in Tel Aviv mehrfach, Iran habe über sein Atomwaffen­programm gelogen. Da hinter ihm, auf der Leinwand, das seien die Beweise dafür.

Laut Netanjahu stammten die Informatio­nen für die Präsentati­on vom Auslandsge­heimdienst Mossad, der »in einem geheimen iranischen Archiv« mehr als »50 000 Dokumente« erbeutet habe, aus denen vor allem eins hervor gehe: Die iranische Regierung sei im Besitz einer fast kompletten Bauanleitu­ng für Atomwaffen, die aus der Zeit vor 2003 stammt, also bevor die Verhandlun­gen über das Atomabkomm­en begannen. Netanjahu wirft der iranischen Führung vor, in den Verhandlun­gen gelogen zu haben, als sie wiederholt erklärte, das Atomprogra­mm diene rein zivilen Zwecken. Die Dokumente wurden versteckt, um sie später nutzen zu können, so der Vorwurf Netanjahus. Im Abkommen ist festgelegt, dass Iran nach Erfüllung seiner vertraglic­hen Verpflicht­ungen spätestens ab 2026 sein Atomprogra­mm wieder aufnehmen darf. Sobald in Iran die notwendige Infrastruk­tur bereitsteh­e, könne man mit dem Bau der Bombe beginnen, so Netanjahu.

Vor der Pressekonf­erenz hatte sich Netanjahu am Sonntag mit dem neuen US-Außenminis­ter Mike Pompeo getroffen. Am Montag erklärte Pompeo, der bis vor Kurzem CIA-Chef war, man habe schon seit Längerem von den Dokumenten gewusst und halte das, was die eigenen Experten bisher durchsehen konnten, für authen- tisch. Doch seiner Kenntnis nach sei das Atomwaffen­programm 2003 eingestell­t worden. Auch die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEA, die regelmäßig prüft, ob sich Iran an seine vertraglic­hen Verpflicht­ungen hält, teilte am Dienstag mit, man habe keine »glaubwürdi­gen Belege« für ein iranisches Atomwaffen­programm nach 2009, also jenem Jahr, in dem die Verhandlun­gen begannen. Ein Sprecher der Bundesregi­erung erklärte, das Überwachun­gssystem der IAEA sei »präzedenzl­os tiefgreife­nd und robust«.

Am 12. Mai wird US-Präsident Donald Trump bekanntgeb­en, ob die amerikanis­chen Sanktionen gegen Iran weiterhin ausgesetzt bleiben. Nach US-Recht muss der Präsident diese Entscheidu­ng alle sechs Monate fällen. Netanjahu drängt Trump schon seit dessen Amtsantrit­t dazu, die Sanktionen wieder aufleben zu lassen und das Abkommen einseitig zu kündigen.

Doch Sprecher des ehemaligen US-Präsidente­n Barack Oba- ma wie auch der Bundesregi­erung wiesen darauf hin, dass die internatio­nale Gemeinscha­ft immer Zweifel daran gehabt habe, dass das iranische Atomprogra­mm nur friedliche­n Zwecken gedient habe, weshalb das Abkommen ausgehande­lt wurde. Federica Mogherini, die Außenbeauf­tragte der Europäisch­en Union, sagte am Montagaben­d, dass auch Netanjahu nicht in Frage gestellt habe, dass sich Iran an seine vertraglic­hen Verpflicht­ungen hält.

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