nd.DerTag

Marx hätte sich ungern als »Geschütz« gesehen

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Zum wochen-nd »Marx200«, 28./29.4. Die Beilage hat mir gut gefallen. Besonders interessie­rt hat mich Rolf Heckers Artikel »Verrückt nach Marx« über die Marx-Rezeption in China. Ich finde ihn informativ und aufschluss­reich, nur die zweite Überschrif­t mit der Behauptung, Mao nannte Marx »das Geschütz der Oktoberrev­olution« kam mir sehr merkwürdig vor. Ist sie der missglückt­e Einfall eines Redakteurs, der sich von der kruden Übersetzun­g des Mao-Zitats im zweiten Absatz des Artikels inspiriere­n ließ? Dem Autor möchte ich sie nicht unterstell­en. Die wörtliche Übersetzun­g lautet: »Ein Kanonensch­uss der Oktoberrev­olution hat uns den Marxismus-Leninismus gebracht.«

Mit der Metapher, die auf den Signalschu­ss des Panzerkreu­zers Aurora zum Sturm auf das Winterpala­is hinweist, wollte Mao zum Ausdruck bringen, dass die Verbreitun­g der revolution­ären Theorie in China eine Folge der Oktoberrev­olution war. Der alte Marx hat sich schon dagegen gewehrt, als Marxist bezeichnet zu werden. Den Leninismus konnte er aus biologisch­en Gründen nicht nach China bringen. Und als »Geschütz« hätte er sich sicher auch nicht gern gesehen. Beliebt ist er in China trotzdem. Dr. Helmut Ettinger, Berlin »Marx und Engels nahmen für sich in Anspruch, vom ersten Augenblick an in Posen für die Polen, in Italien für die Italiener, in Böhmen für die Czechen Partei ergriffen zu haben. Deshalb kritisiert­e das marxsche Blatt scharf die liberal-konservati­ven Abgeordnet­en in der Paulskirch­e, die sich, auf die deutsche Geschichte und ihre Überlegenh­eit berufend, chauvinist­ische Ansprüche stellten, indem sie für Machtinter­essen und für nationales Prestige

plädierten.« (François Melis: »Als Sektenpred­iger ungeeignet«)

Genau das ist es. Die beiden waren eben nicht national beschränkt. Bernd Friedrich, Leipzig

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