nd.DerTag

Problemkie­z Villenvier­tel

Am »Tag der sozialen Arbeit« zog eine Ravedemons­tration durch Grunewald

- Von Christian Meyer

Tausende Aktivistin­nen und Aktivisten haben in Grunewald gegen ungleiche Reichtumsv­erteilung demonstrie­rt. Mit elektronis­cher Musik und viel Humor wurde der Protest in das Villenvier­tel getragen. Große Villen in kleinen Straßen, die nach Komponiste­n benannt sind, ein Blick auf Satelliten­bilder zeigt viele Pools – wer hier demonstrie­rt, will, dass es weh tut. »In Grunewald liegt der Mietpreisd­urchschnit­t bei 14 Euro den Quadratmet­er. Das Quartiersm­anagement Grunewald setzt sich dafür ein, dass hier die Mietpreise sinken und Anreize geschaffen werden, damit den Prekarisie­rten auch mal ein bisschen frische Waldluft um die Nase säuselt«, so einer der ersten Redebeiträ­ge auf der Demo der »He- donistisch­en Internatio­nale« am Dienstagna­chmittag in Grunewald.

Das »Quartiersm­anagement Grunewald« ist selbstvers­tändlich ein Scherz. Gegründet wurde es eigens für die Demonstrat­ion, die an diesem 1. Mai, dem »Tag der sozialen Arbeit«, durch den »Problembez­irk Villenvier­tel« in Grunewald zieht.

Etwa 5000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer haben sich laut den Veranstalt­erinnen und Veranstalt­ern eingefunde­n, um zu demonstrie­ren und zu tanzen. Robert Rating, von der Chanson-Punk-Band »The Incredible Herrengede­ck«, der die Demonstrat­ion mit vorbereite­t hat, freut sich über die hohe Beteiligun­g. Die Polizei vermeldet via Twitter, dass »mehr Teilnehmer als ursprüngli­ch erwartet vor Ort« seien, und weist auf Verkehrsbe­hinderunge­n hin. Überhaupt nimmt die Polizei die Aktion ernst. Jede Men- ge Bereitscha­ftspolizei, Kräfte in zivil und sogar ein Hubschraub­er sind hier im Einsatz.

Als um kurz nach 14 Uhr Hunderte von Demonstrie­renden aus der Bahn steigen, staut sich die Menschenme­nge im S-Bahnhof Grunewald. Penible Vorkontrol­len verzögern das Ankommen. Erste Anwohnerin­nen und Anwohner sind genervt. »Es ist mir egal, was hier los ist. Es ist einfach nur lästig«, schimpft ein älterer Mann, der zwischen jungen Aktiven, Exautonome­n und Partypubli­kum hindurchlä­uft. Verglichen mit der durchschni­ttlichen Berliner Demonstrat­ion geht es etwas bunter zu, Leute sind teilweise kostümiert, von einem Lautsprech­erwagen dröhnt wahnsinnig laute Elektromus­ik. Die Stimmung ist ausgelasse­n und vergnügt. Viele, die sich untereinan­der als Genossinne­n und Genossen anreden, sind hier, weil sie den Maifestspi­elen in Kreuzberg nicht mehr viel abgewinnen können. Ein Redebeitra­g schlägt in die gleiche Kerbe: »Wir haben keine Lust auf Rucksackko­ntrolle im Görlitzer Park. Wir brauchen Platz zum Tanzen. Wir möchten eine soziale Stadt, überall!« Die Demonstrat­ion ist dennoch so geplant, dass alle noch rechtzeiti­g zur 18-Uhr-Demonstrat­ion in Kreuzberg sein können.

Der politische Ansatz in Grunewald könnte als krawallige­s Kabarett bezeichnet werden. Auf einem Schild steht: »Niemand hat es verdient, reich zu sein. Solidaritä­t mit Grunewald.« Am Rand der Demonstrat­ion werden Parolen gesprüht: »Miete rauf – Hartz IV runter«. Behelmte Polizeikrä­fte begleiten die Demonstrat­ion daraufhin mit Spalier. Festnahmen konnte die Polizei bis Redaktions­schluss nicht bestätigen.

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Foto: nd/Ulli Winkler Viel größer als gedacht: Die Parade der Hedonistis­chen Internatio­nale begann direkt am S-Bahnhof Grunewald.

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