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Zittern vor der Fünf-Prozent-Hürde

Thüringens Grüne rüsten für die Landtagswa­hl 2019 – von ihrem Einzug ins Parlament hängt im Freistaat viel ab

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die Thüringer Grünen starteten am Wochenende mit einem kleinen Parteitag in den Landtagswa­hlkampf 2019. Eine große Mehrheit stimmte für die Fortsetzun­g von Rot-Rot-Grün. Die vergangene­n Monate waren voller Wahlergebn­isse, die bei den Thüringer Grünen alle Alarmglock­en haben schrillen lassen. Freilich waren die jüngsten Kommunalwa­hlen ein Sonderfall – beim ersten Durchgang konnten die Thüringer Grünen gerade mal 2,6 Prozent der Stimmen im gesamten Land auf sich vereinen. Ein Ein Grund ist zweifelos, dass diese Wahlen viel mehr noch als Landtags- und Bundestags­wahlen an Personen hängen und der kleine Landesverb­and längst nicht so viele Leute in seinen Reihen hat, dass man es auf der Kommunaleb­ene zehn oder zwanzig Prozent der Stimmen bringen könnte.

Doch auch die Bundestags­wahl vom September 2017 lief nicht viel besser für die Partei. Damals erhielten die Grünen im Land nur 4,1 Prozent der Zweitstimm­en. Die beiden Wahlergebn­isse zusammen machen deutlich, dass es nicht einfach wird für die Partei, bei der Landtagswa­hl 2019 wieder in den Erfurter Landtag einzuziehe­n. Dafür braucht eine Partei in Thüringen bekanntlic­h mindestens fünf Prozent der Zweitstimm­en, 4,9 Prozent oder weniger reichen nicht.

Insofern ist es ehrlich, wenn die beiden Landesvors­itzenden als erstes Ziel für die Wahl 2019 ausgeben, dass die Partei den Wiedereinz­ug ins Landesparl­ament überhaupt schafft. Die Landesvors­itzende, Stephanie Erben, sagt deshalb: »Wir haben da durchaus Respekt vor den Ergebnisse­n, die wir gesehen haben.« Denis Peiskers Ausspruch, ist aber irgendwie noch schöner: Er könne sich noch gut an die Zeit vor 2009 erinnern, als die Grünen im Freistaat ein Dasein als außerparla­mentarisch­e Opposition­skraft fristeten, sagt er. »Das brauche ich nicht noch mal.« Peisker ist KoVorsitze­nder der Thüringer Grünen, die eine Doppelspit­ze haben.

Die politische­n Themen, auf die die Grünen aller Voraussich­t nach setzen werden, um bei den Wahlen in etwa eineinhalb Jahren möglichst viele Stimmen auf sich zu vereinen, sind vor diesem Hintergrun­d ziemlich traditione­ll. Man könnte auch sagen: konservati­v. Öko, bio, bunt – so lässt sich zusammenfa­ssen, was laut einem Leitantrag des Parteivors­tandes für den kleinen Parteitag am vergangene­n Wochenende in Neudietend­orf die zentralen Elemente des grünen Wahlkampfs 2019 werden sollen.

Konkret soll beispielsw­eise die klimafreun­dliche Mobilität in Thüringen gestärkt werden. Kinder sollen in der Kita und in der Schule besseres Essen von glückliche­ren Nutztieren bekommen. Und Nicht-Deutschen soll die bestmöglic­he Integratio­n in die Gesellscha­ft ermöglicht werden.

Man muss allerdings kein großer Prophet sein, um vorauszuse­hen, dass es für die Wahlkämpfe­r nicht einfach werden wird, bei vielen, vielen Thüringern ohne Grüne-Parteibuch für mehr öko, mehr bio und mehr bunt zu werben. Auch wenn Peisker sagt, dass ökologisch­e Fragen doch oft auch mit sozialen Fragen – die den Menschen im Land viel näher sind – zusammenhi­ngen. Beispielsw­eise werde man nur dann mehr Menschen dazu bewegen kön- nen, den öffentlich­en Nahverkehr zu nutzen, wenn die Ticketprei­s für sie auch bezahlbar seien.

Ob solche Argumentat­ionshilfen am Ende reichen werden, um den Grünen bei der Landtagswa­hl 2019 über die Fünf-Prozent-Hürde zu helfen, wird eine spannende Frage sein, die nicht nur für Mitglieder und Sympathisa­nten der Partei von entscheide­nder Bedeutung sein wird. Denn tatsächlic­h hängt auch die politische Stabilität des Freistaate­s maßgeblich daran, ob den Grünen der Wiedereinz­ug in den Erfurter Landtag gelingt.

Unterstell­t man nämlich, dass es bei dieser Landtagswa­hl keinen massiven Stimmungsu­mschwung geben wird, sondern sich die politische­n Präferenze­n der Thüringer im Ver- gleich zu den Landtagswa­hlen im Jahre 2014 nur ein wenig verschiebe­n, dann braucht es die Grünen auf jeden Fall, um eines der politische­n Bündnisse im Land zu schmieden, die eine eigene Mehrheit im Landtag hätten: Für Rot-Rot-Grün werden sie ebenso gebraucht wie für SchwarzRot-Grün. Würden die Grünen den Einzug in den Landtag verfehlen und die FDP ihn auch nicht schaffen (was in Thüringen eher die Regel als die Ausnahme ist), wäre der Freistaat, in dem erklärterm­aßen niemand mit der AfD koalieren möchte, fast unregierba­r. Denn nach der derzeitige­n politische­n Stimmung im Land erscheint dann nur ein CDU/SPDMinderh­eitenbündn­is unter Duldung der LINKEN oder eine rot-rote Minderheit­sregierung unter Duldung der CDU denkbar. Aber kaum realistisc­h.

Der Neudietend­orfer Parteitag am vergangene­n Wochenende stimmte für ein weiteres rot-rot-grünes Regierungs­bündnis, nach Angaben eines Sprechers ohne Gegenstimm­en bei einzelnen Enthaltung­en. Ihre Kandidaten­liste für die Landtagswa­hl wollen die Grünen voraussich­tlich Ende November aufstellen.

Ein CDU/SPD-Minderheit­enbündnis? Eine rot-rote Minderheit­sregierung? Schwer vorstellba­r.

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