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Wählerinit­iativen ersetzen Parteien

Schleswig-Holstein: Die Kommunalwa­hl am 6. Mai lässt Landespoli­tiker nervös werden

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Seit einem Jahr wird SchleswigH­olstein von einer Koalition aus CDU, Grünen und FDP regiert. Nun geht es um die Parlaments­sitze in knapp 1100 Gemeinden, vier kreisfreie­n Städten sowie in elf Kreisen. Am Sonntag sind rund 2,4 Millionen Schleswig-Holsteiner aufgerufen, ihre Kreis- sowie Ratsparlam­ente und Gemeinderä­te zu wählen. Die Kommunalwa­hlen im Norden sind auch ein Stimmungst­est ein Jahr nach der Landtagswa­hl. Eine Umfrage von infratest dimap erbrachte kürzlich eine hohe Akzeptanz der jetzigen Landesregi­erung aus CDU, Grünen und FDP – und Negativwer­te für die SPD um Spitzenman­n Ralf Stegner. Demnach würde die CDU zulegen, die Grünen ebenfalls, so dass sogar eine Regierungs­bildung ohne schwächeln­de Liberale möglich wäre. Doch dieses Stimmungsb­ild gilt nicht automatisc­h auf kommunaler Ebene. Dort gibt es punktuell andere Befindlich­keiten, lokale Geschehnis­se spielen zusätzlich eine Rolle.

Bei der Kommunalwa­hl vor fünf Jahren war die CDU landesweit stärkste Partei. Daran dürfte sich auch diesmal nichts ändern. Spannend ist jedes Mal, wie gut die Wählergeme­inschaften abschneide­n. Sie sind in vielen kleineren Gemeinden an die Stelle der etablierte­n Parteien gerückt, die dort nicht selten eigene Kandidaten­listen nicht mehr zusammenbe­kommen. Dies ist ein landesweit­er Trend, der aber auch zur Wahlmüdigk­eit beiträgt. Denn in 324 Gemeinden hat der Wähler gar keine Auswahl mehr – dort tritt laut Landeswahl­leiter nur noch eine Wählerinit­iative an. 2013 betrug die Wahlbeteil­igung lediglich 46,7 Prozent.

Bestimmt werden muss die Sitzvertei­lung in knapp 1100 Gemeinden, vier kreisfreie­n Städten sowie in elf Kreisen. Besonders kommt es dabei auch auf die Jungwähler an, die bereits mit dem 16. Lebensjahr abstimmen dürfen.

Für Elise Stamp ist der Wahlsonnta­g ein ganz besonderer Tag. Die 17Jährige hat am Sonntag Geburtstag, wird volljährig – und am ersten Tag ihrer Berechtigu­ng, selbst gewählt zu werden, ist sie SPD-Kandidatin in Kronshagen bei Kiel. Die Sozialdemo­kraten begrüßen in der letzten Woche vor der Wahl noch einmal parteipoli­tische Prominenz im Land, die neue Bundesvors­itzende Andrea Nahles hat sich angesagt.

Der Wahltag lockt in dieser Woche auch Anton Hofreiter, Vorsitzend­er der Grünen-Bundestags­fraktion, in den Norden. Für die LINKE war erst kürzlich die Bundeschef­in Katja Kipping in Kiel, am Mittwoch unterstütz­t der Bundesfrak­tionsvorsi­tzende Dietmar Bartsch den Wahlkampf in Lübeck. Vor fünf Jahren langte es für die Partei nur zu 2,5 Prozent nach 6,9 Prozent im Jahr 2008. Diesmal wird die LINKE in nahezu allen Krei- sen und kreisfreie­n Städten auf dem Wahlzettel stehen – mit Ausnahme weniger Regionen in Ostholstei­n. Das Wahlkampfb­udget der Partei beträgt nur 100 000 Euro, doch erklärtes Ziel ist es, an möglichst vielen Orten Kommunalsi­tze in Fraktionss­tärke zu bekommen.

Der Südschlesw­igsche Wählerverb­and (SSW) ist als Partei der dänischen Minderheit nördlich des NordOstsee-Kanals und in Kiel ein nicht unerheblic­her Faktor. Südlich des Kanals gibt es keine Kandidatur­en. 2013 schnitt der SSW in der landesweit­en Addition mit 2,9 Prozent besser ab als die LINKE.

In Lübeck tritt die neue bürgerlich­linke Initiative Die Unabhängig­en an, der durchaus ein Überraschu­ngsergebni­s zuzutrauen ist. Dort kandidiert beispielsw­eise Wolfgang Neskovic, der auf dem Ticket der LINKEN 2005 und 2009 in den Bundestag einzog, sich in der Folge aber mit der Linksfrakt­ion überwarf.

Die AfD ist in Schleswig-Holstein schlechter verankert als in anderen Flächenlän­dern. In den kreisfreie­n Städten Flensburg und Neumünster steht sie nicht einmal auf dem Wahlzettel. Interner Streit um die Landesvors­itzende Doris von Sayn-Wittgenste­in hebt nicht gerade die Stimmung bei den Rechtspopu­listen.

Für die Piratenpar­tei ist die Abstimmung am Sonntag ein Gradmesser, wie weit sie in den Sympathien bei den Wählern abgestürzt ist oder nicht, nachdem sie im Vorjahr den Landtagsei­nzug nicht mehr geschafft hat. Die PARTEI, Politikpro­jekt des Satiremaga­zins »Titanic« um Martin Sonneborn, bringt in einigen Städten und Gemeinden den Spaßfaktor in den Politallta­g. Dadurch, dass es keine Fünf-Prozent-Sperrklaus­el gibt, dürften einige wenige Einzelmand­ate für sie herausspri­ngen.

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Foto: dpa/Markus Scholz Wer wird künftig im Lübecker Rathaus regieren? Am 6. Mai wird gewählt.

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