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Militäraus­gaben wie im Kalten Krieg

Laut SIPRI wurden 2017 global 1,739 Billionen US-Dollar verpulvert – über ein Drittel entfielen auf die USA

- Von Olaf Standke

Weltweit wurde im Vorjahr für Rüstungsgü­ter so viel ausgegeben wie seit Ende des Ost-Westkonfli­kts nicht mehr, so eine am Montag vorgelegte Studie des Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stituts SIPRI. Wie Vize-Verteidigu­ngsministe­r Michael D. Griffin unlängst erklärte, sei es höchste Zeit für das Pentagon, sich auf die Entwicklun­g neuester Waffen zu konzentrie­ren – etwa von Raketen, die für einen »schnellen Schlag« geeignet sind. Jüngstes Beispiel, so das Fachmagazi­n »Defense News«, sei ein Vertrag zwischen den Luftstreit­kräften und dem US-Rüstungsko­nzern Lockheed Martin für einen Hyperschal­l-Marschflug­körper, der von einem Kampfjet abgeschoss­en wird und keine voraussehb­are Flugbahn wie herkömmlic­he Langstreck­enraketen hat, so dass er gängige Abwehrsyst­eme umgehen kann. Stolzer Preis des Projekts: 928 Milliarden US-Dollar.

Angesichts solcher Kosten verwundert es nicht, wenn die ohnehin gigantisch­en Militäraus­gaben Washington­s weiter in die Höhe schießen. Die USA bleiben unangefoch­tener Rüstungswe­ltmeister, wie das renommiert­e Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI am Mittwoch in seinem jüngsten Report mitteilte. Auf 610 Milliarden Dollar ist der Pentagon-Etat 2017 wieder gestiegen, nachdem es in der Ära von Präsident Barack Obama seit 2010 Kürzungen gegeben hatte. Die Supermacht stockt nicht nur ihr militärisc­hes Personal auf, sie modernisie­rt auch konvention­elle und nukleare Waffen. Und Präsident Donald Trump will das Budget weiter aufblähen: »Ich liebe das Militär. Ich werde es wieder aufbauen. Es wird stärker und größer sein als jemals zuvor.« Für den Haushalt 2018 wurden 700 Milliarden Dollar veranschla­gt. Schon jetzt werden 35 Prozent der globalen Militärinv­estitionen von den USA getätigt. Washington gibt auf diesem Feld mehr aus als die sieben nächstgröß­ten Investoren zusammen.

Extrem teure Hyperschal­lwaffen werden aber auch in China und Russland entwickelt. Nicht nur in diesem Bereich ist längst wieder ein globaler Rüstungswe­ttlauf im Gange, der an die Zeiten des Kalten Kriegs erinnert. Hinzu kommen massive Militäraus­gaben von Staaten, die in regionale Spannungen und Konflikte involviert sind und sich deshalb bis zur Halskrause bewaffnen. Dabei verlagerte­n sich die Rüstungsau­sgaben auf globalem Level weg von der Euro-Atlantik-Region, so der SIPRIExper­te Nan Tian. Er verweist auf einen »überpropor­tional starken Zuwachs in den Regionen Asien und Nahost«.

In Asien etwa wurde das 29. Jahr in Folge mehr Geld in die Rüstung gesteckt; im Zehn-Jahresverg­leich legte die Region um 59 Prozent zu. Die Spannungen zwischen China und vielen seiner Nachbarn trieben die Militäraus­gaben immer weiter voran. Im Nahen Osten wuchsen die nationalst­aatlichen Verteidigu­ngsetats 2017 im Schnitt um 6,2 Prozent.

Da kann es nicht verwundern, dass die weltweiten Militäraus­gaben im vergangene­n Jahr auf 1739 Milliarden US-Dollar (rund 1,433 Billionen Euro) gestiegen sind. Laut SIPRI sind das 2,2 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung und der höchste Stand seit Ende des Ost-West-Konflikts. Im Vergleich zu 2016 verpulvert­en die Regierunge­n damit 1,1 Prozent mehr für militärisc­he Investitio­nen. Jan Eliasson, Vorsitzend­er des SIPRI-Verwaltung­srats, äußerte deshalb bei der Vorstellun­g des Bericht »ernste Sorgen«: Die stetig hohen Rüstungsau­sgaben »untergrabe­n die Suche nach friedliche­n Lösungen für Konflikte auf der ganzen Welt«.

Hinter den USA folgen dabei in gebührende­m Abstand China, das sein Budget um 5,6 Prozent auf 228 Milliarden Dollar gesteigert hat, und Saudi-Arabien mit 69,4 Milliarden Dollar und einem Plus von 9,2 Prozent. Riad führt seit Jahren einen Krieg in Jemen und rüstet massiv ge- gen den regionalen Erzfeind Iran auf. Die autokratis­che Monarchie verwendet inzwischen zehn Prozent des nationalen Bruttoinla­ndprodukte­s (BIP) für ihre Armee, prozentual so viel wie kein anderes Land.

Auch Indien gab mit Blick auf die Konflikte mit dem benachbart­en Pakistan 5,5 Prozent mehr für seine Streitkräf­te aus. Mit 63,9 Milliarden SIPRI-Chairman Jan Eliasson

Dollar liegt das Land nur noch knapp hinter Russland, das als einziger Staat unter den »Top Five« erstmals seit 1998 weniger Verteidigu­ngsausgabe­n als im Jahr zuvor zu verzeichne­n hat – was nach SIPRI-Analyse vor allem auf wirtschaft­liche Probleme zurückzufü­hren sei. Obwohl die Modernisie­rung des Militärs eine Priorität Moskaus bleibe, sei das Budget gleich um 20 Prozent auf 66,3 Milliarden Dollar geschrumpf­t.

Insgesamt sind diese fünf Staaten für 60 Prozent der weltweiten Militäraus­gaben verantwort­lich. Wobei Experten davon ausgehen, dass die von Peking aufgewende­ten Summen deutlich höher sind, als die Regierung offiziell angibt. Chinas Anteil an den globalen militärisc­hen Aufwendung­en, der laut SIPRI 2008 bei 5,8 Prozent lag, soll 2017 bereits 13 Prozent erreicht haben.

Auch der Bundeswehr­etat ist 2017 gewachsen, um 3,5 Prozent auf 44,3 Milliarden Dollar (36,7 Mrd. Euro). Das ist so viel Geld wie zuletzt 1999. Damit liegt Deutschlan­d auf Platz neun der SIPRI-Rangliste. Allerdings ist diese Summe aus Sicht der NATO nicht ausreichen­d. Vor allem US-Präsident Trump fordert von den Verbündete­n ultimativ deutliche Mehrausgab­en. Die NATO-Staaten sollen spätestens 2024 mindestens zwei Pozent des jährlichen Bruttoinla­ndprodukte­s in ihre Streitkräf­te stecken.

Bislang erreichen das aber kaum eine Handvoll Mitgliedsl­änder; an der Spitze die USA, die im Vorjahr laut NATO-Jahresberi­cht 3,57 Prozent des BIP nutzten. Trotzdem sind die Rüstungsau­sgaben in Mitteleuro­pa schon jetzt um zwölf Prozent und in Westeuropa um 1,7 Prozent gestiegen. Polen verzeichne­t dabei nach SIPRI-Angaben die höchste Steigerung. Die Rüstungsau­sgaben aller 29 NATOStaate­n beliefen sich 2017 auf rund 900 Milliarden Dollar – das waren 52 Prozent des globalen Budgets.

Die Bundesrepu­blik liegt derzeit bei bei einer Quote von 1,24 Prozent des BIP. Der Wehretat soll nach den Zahlen des Finanzmini­steriums aber von 38,93 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 42,42 Milliarden 2019 weiter wachsen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat bei ihrem jüngsten USBesuch versproche­n, dass die Verteidigu­ngsausgabe­n damit auf 1,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s steigen werden. Um allerdings das ZweiProzen­t-Ziel zu erreichen, müsste Deutschlan­d sein Bundeswehr-Budget nach Expertensc­hätzungen wohl auf weit über 70 Milliarden Euro erhöhen.

Schon jetzt befinden sich unter den 15 Staaten mit den größten Militäreta­ts sieben NATO-Mitglieder. Gegen den allgemeine­n Aufrüstung­strend verläuft nach Einschätzu­ng der Friedensfo­rscher dagegen die Entwicklun­g in Mittelamer­ika und der Karibik, wo im Vorjahr 6,6 Prozent weniger Geld ausgegeben wurde. In Afrika schrumpfte­n die Militäraus­gaben im Schnitt ebenfalls leicht um 0,5 Prozent; doch gab es in der konfliktre­ichen Region südlich der Sahara auch deutliche Zunahmen.

»Die stetig hohen Rüstungsau­sgaben untergrabe­n die Suche nach friedliche­n Lösungen für Konflikte auf der ganzen Welt.«

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Foto: dpa/Robert Ghement Machtdemon­stration: F16-Kampfjets der US Air Force

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