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Russlands wilde Zeit

- Von Frank Willmann

Moskau,

Ende der 90er Jahre: Noch hält sich der schwache Präsident Boris Jelzin in Russland, doch das unsichtbar­e Regiment hat die Geschütze bereits in Stellung gebracht. Hier und da rumort es, dann steht plötzlich das »weiße Haus« in Moskau in Flammen, und ein paar Altkader hauchen ihr Leben aus.

Das korrupte Russland der zurücklieg­enden zehn Jahre war ein Paradies für Hedonisten und Moneymaker. Der sich romantisch gebende Anton in Arthur Isarins Roman »Blasse Helden« ist einer von ihnen. Getrieben von der Gier nach Geld und schönen Frauen kam er nach Moskau und saugte mit seinesglei­chen als windiger Finanzmakl­er für viele Jahre das Land aus – bis Väterchen Wladimir den eisernen Besen schwang.

Anton stellte keine unliebsame­n Fragen, hielt sich aus der Politik heraus, bestach die richtigen Leute und zog im passenden Moment den Kopf ein. Klar mochte er Birken und die hohen Wangenknoc­hen der Russinnen. Da er gut bezahlte, durfte er von jedem Kuchen ein wenig naschen. Sein Sinn für die schönen Künste führte ihn sofort in Kreise gleichgear­teter HedonistIn­nen.

Ein paar traurige und lustige Huren, Klein- und Großkrimin­elle, arme Künstler, fiese Geheimdien­stler und korrupte Beamte bilden das Arsenal der Figuren im ironischen Roman um den blassen Buben Anton und das wilde Russland zwischen Gorbi und Putin. Geld löste die meisten Probleme: Es wurde verdient, geklaut, geschöpft, geschröpft, gemacht.

Und du, Mütterchen Russland? Wurdest dabei gefleddert, dass die Fetzchen und Mätzchen flogen. Moral? Was ist das denn? Vögeln wir, was das Zeug hält, auch wenn ab und zu einer unter die Räder gerät! Und Drogen? Kommen eher dezent zum Einsatz, sofern man Wodka nicht für eine Droge hält.

Die Sprache ist geradlinig, für jede Situation gibt es ein teilweise passendes Sprichwort. Das holpert mitunter ein wenig, wird aber vom herrlich bösen Grundsound locker übertüncht, der bis zum voraussehb­aren Ausgang das Buch zu einer leidlich spannenden Angelegenh­eit macht.

Arthur Isarin ist ein Pseudonym. Über den Autor heißt es, er sei 1965 in München geboren, habe unter anderem in Russland und Kasachstan gearbeitet und lebe heute in Australien. Sein Buch ist eines für die müßigen Stunden, das sich schneller liest, als ein böser Wind um die Ecken des Kremlfried­hofs pfeift.

Arthur Isarin: Blasse Helden. Roman. Knaus, 320 S., geb., 22 €.

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