nd.DerTag

Bekennende­r Kemalist

- Von Nelli Tügel

Nach tagelangen Gerüchten hat nun auch die größte Opposition­spartei der Türkei, die kemalistis­che, von Staatsgrün­der Atatürk einst aufgebaute Republikan­ische Volksparte­i (CHP), ihren Kandidaten für die Präsidents­chaftswahl­en bekanntgeg­eben: Muharrem İnce, früherer Fraktionsv­ize der Partei, galt stets als Dauerrival­e des recht populären Parteiund Fraktionsv­orsitzende­n Kemal Kılıçdaroğ­lu, gegen den er sich zweimal im Kampf um den Parteivors­itz geschlagen geben musste. Die Entscheidu­ng, İnce zu nominieren, ist daher durchaus bemerkensw­ert.

Geboren wurde İnce 1964 in der Nähe von Yalova im Nordwesten des Landes, am Tag der Kandidaten­kür feierte er seinen 54. Geburtstag. Für Yalova zog der verheirate­te Vater eines Kindes 2002 ins türkische Parlament ein. Damit ist er ebenso lang Abgeordnet­er wie die AKP das Land regiert. In der Nationalve­rsammlung hat er als angriffslu­stiger Redner und scharfer Erdoğan-Kritiker auf sich aufmerksam gemacht. Seine Zeit als Parlamenta­rier ist nun allerdings vorbei, denn als Präsidents­chaftsbewe­rber kann İnce nicht bei der zeitgleich stattfinde­nden Parlaments­wahl kandidiere­n.

In der Rede vor Anhängern nach seiner Nominierun­g sagte der ehemalige Physiklehr­er, er wolle kein Präsident der CHP, sondern aller Menschen in der Türkei sein – »von Rechten und Linken, Kurden und Türken, Alewiten und Sunniten«. Ob man diesem Verspreche­n İnces, der sich als Traditions­kemalisten bezeichnet und seit Ende der 1970er seiner Partei angehört, Glauben schenken darf, ist allerdings fraglich. Türkischer Nationalis­mus ist der Markenkern der CHP. Als Präsident des Atatürkçü Düşünce Derneği – ADD (Verein zur Förderung der Ideen Atatürks) stand İnce in der Vergangenh­eit zudem einem Verein vor, der – auch in Deutschlan­d – antiarmeni­sche und antikurdis­che Ressentime­nts verbreitet. Dennoch stimmte İnce im Mai 2016 – im Gegensatz zu anderen CHP-Abgeordnet­en – im Parlament gegen die Aufhebung der Immunität von Politikern der Linksparte­i HDP.

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Foto: AFP/Adem Altan Muharrem Ince will Präsident der Türkei werden.

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