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Kein Labour-Triumph in Englands Kommunen

Bei der Kommunalwa­hl lagen die Tories vorn – trotz des Skandals um Ex-Innenminis­terin Amber Rudd

- Von Ian King, London

Beim größten Urnengang seit der Parlaments­wahl im Juni 2017 waren Britannien­s regierende Konservati­ve aufs Schlimmste gefasst. Nach internen Machtkämpf­en und Misserfolg­en bei den Brexit-Verhandlun- gen bot die Partei unter der zaudernden Theresa May ein Bild des Jammers. Das Innenminis­terium hatte zwischen illegalisi­erten Ausländern und den schwarzen Briten, die nach 1948 aus der Karibik kamen, unter dem Vorwand den Gesundheit­sdienst und öffentlich­en Verkehr wieder in Ordnung zu bringen, nicht unterschie­den und damit viele schwarze Wähler verprellt: Anfang der Woche musste Innenminis­terin Amber Rudd zurücktret­en, obwohl ihre Vorgängeri­n Theresa May die wahre Schuld an dem »feindselig­en Klima« gegen Menschen mit Migrations­hintergrun­d trug. Kurz: Eine Katastroph­e sowie harte innerparte­iliche Kritik an May schien sich anzudeuten.

Nichts da. Am Freitagmor­gen lagen Nettogewin­ne der Tories von 13 Rathausman­daten vor. Labours erhoffter Durchbruch blieb mit einem Nettogewin­n von 50 Sitzen bescheiden, die im Unterhaus chancenlos­en Liberalen erzielten ein Plus von 33 Mandaten. Die rechte United Kingdom Independen­ce Party (UKIP) behielt von über hundert Rathaussit­zen ganze drei, ihr Generalsek­retär Paul Oakley verglich seine Partei mit der Pest.

Die Ergebnisse der Brexit-Abstimmung hinterließ­en ihre Spuren. In der Remainer-Metropole London gewann Labour in konservati­ven Hochburgen wie Wandsworth sieben Mandate hinzu, ohne jedoch die satte rechte Mehrheit zu knacken, während in Hillingdon, Heimat vieler Brexiter, die Tories Mandate hinzugewan­nen. Die gleichen Siege auf Kosten der UKIP gewannen Konservati­ve in brexitfreu­ndlichen Gegenden Ostengland­s wie Yarmouth, Basildon und Peterborou­gh. Jeremy Corbyn musste hingegen nach Devon eilen, um einen klaren LabourSieg in Plymouth zu feiern. Labour habe solide Ergebnisse eingefahre­n und sei für die nächste Parlaments­wahl gut aufgestell­t, behauptete Corbyn – es klang eher wie Pfeifen im dunklen Wald. Liberalenc­hef Vince Cable freute sich derweil über den Sieg seiner Partei im Remainerfr­eundlichen Richmond; dass Cable den Nachbarwah­lkreis Twickenham vertritt, hat beim Hinauswurf der dortigen Konservati­ven sicher nicht geschadet.

Die Kommunalwa­hlergebnis­se spiegeln auch lokale Themen wider. So hat Labours Scheitern im Londoner Barnet mit dem Antisemiti­smusVorwur­f gegen die Partei zu tun, denn Stadtteile wie Golders Green haben den höchsten Anteil jüdischer Wähler des Landes. Hier ist Corbyns Eintreten für einen palästinen­sischen Staat in einer rechten Pressekamp­agne als Judenhass dargestell­t worden. Aber Labour-Organisato­r Andrew Gwynne musste auch kleinlaut zugeben, dass deutlicher­e Schritte gegen Online-Mobbing von jüdischen Fraktionsk­olleginnen wie Ruth Smeeth getan werden müsse. Als weiteres Beispiel gilt das nordenglis­che Sheffield. Dort hatte die Labour-Rathausmeh­rheit 5000 gesunde Bäume fällen lassen – örtliche Liberale und Grüne protestier­ten und nahmen Labour vier Mandate ab, ohne jedoch die rote Vorherrsch­aft zu gefährden.

Das Fazit der Kommunalwa­hl: Außer UKIP haben alle Parteien mehr oder weniger gesiegt. Theresa May kann aufatmen, aber die Brexiter in ihrem Kabinett auch. Wahlexpert­e John Curtice meinte im BBC-Interview, es kommt weiterhin auf die Erfolge bei den Austrittsv­erhandlung­en an: Noch ist alles drin.

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