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Vom Computer gekündigt

Algorithme­n könnten in Zukunft großen Einfluss auf die Personalpl­anung der Unternehme­n haben

- Von Josephine Schulz

Die Arbeitswel­t digitalisi­ert sich immer stärker, das zeigt sich auch an den Programmen, die auf den Markt kommen. Sie sollen Firmen die Personalpl­anung erleichter­n – doch es gibt viele Unwägbarke­iten. »Es ist keine Magie, es ist Watson Analytics.« So bewirbt der Technikkon­zern IBM im Internet seine Software zur Auswertung von Firmendate­n. Ein Algorithmu­s soll Firmen etwa zeigen, welche Mitarbeite­r mit höherer Wahrschein­lichkeit den Betrieb verlassen wollen und welche Gründe – Gehalt, Arbeitsort oder Überstunde­n – den Ausschlag geben. Simon Hegelich, Professor für Political Data Science, hat sich den Algorithmu­s genauer angesehen und findet Schwächen. So entstünden schon bei geringen Modifikati­onen völlig andere Ergebnisse, zeigt er in einer Simulation auf der Digitalkon­ferenz re:publica in Berlin.

Datenauswe­rtungsprog­ramme wie IBM Watson Analytics könnten ein zentraler Bestandtei­l des Personalma­nagements werden. Auf Basis der Statistike­n würden dann Entscheidu­ngen über Beförderun­g, Kündigung oder Teamplanun­g fallen. In anderen Ländern werden solche Programme schon umfassend genutzt, in Deutschlan­d bisher wenig. Aber, ist sich Hegelich sicher, das wird kommen.

Wie überall, wo Digitalisi­erung das Arbeitsleb­en verändert, rufen die neuen Instrument­e Hoffnungen und Bedenken hervor. Die Genauigkei­t der Statistike­n ist dabei nur ein Aspekt. Befürworte­r sehen in den emotionslo­sen Rechnungen die Chance, Willkür und Diskrimini­erung vorzubeuge­n. Wenn etwa ein Computer Bewerbunge­n auswerte, so die Hoffnung, spielten Hautfarbe, ein ausländisc­h klingender Name oder das Geschlecht keine Rolle mehr.

Professori­n Katharina Simbeck ist da skeptisch und glaubt: auch Algorithme­n diskrimini­eren. Sie forscht für die Hans-Böckler-Stiftung zur Benachteil­igung durch künstliche Intelligen­z. Ein möglicher Grund für die Diskrimini­erung durch Software: Sie wird von Menschen programmie­rt. Menschen mit Vorurteile­n erklären also der Maschine, wie sie Entscheidu­ngen treffen soll. Zudem lernt der Algorithmu­s aus den Daten, mit denen er gefüttert wird. Aber er stellt sie nicht infrage. Spiegeln diese Daten eine ungerechte gesellscha­ftliche Realität wieder, schlägt sich das im Ergebnis nieder. Soll zum Beispiel eine Software ermitteln, welche Mitarbeite­r mutmaßlich das Unternehme­n verlassen, kann es gut sein, dass junge Frauen ganz oben auf der Liste stehen. Einfach, weil Müttern das Arbeitsleb­en in der Vergangenh­eit und heute nicht leicht gemacht wird.

Besonders problemati­sch findet Simbeck solche Anwendunge­n, wenn sie intranspar­ent sind. Wenn der Mitarbeite­r keine Ahnung hat, welche Kalkulatio­n dazu führt, dass die Kollegin eine Gehaltserh­öhung bekommt, oder er sein Projekt abgeben muss. Dazu gehört auch das Wissen darüber, welche Daten gesammelt werden. Der Arbeitgebe­r hat viele Informatio­nen über seine Mitarbeite­r. Er weiß, wie oft sie krank sind, kennt die Anzahl der Kinder, den Wohnort, die Art der Weiterbild­ungen. Je digitaler ein Unternehme­n arbeitet, desto mehr zusätzlich­es Wissen ergibt sich daraus: In welchem Zeitraum antwortet ein Mitarbeite­r auf E-Mails, welche Internetse­iten besucht er, wie lange dauern seine Telefonate? Besonders interessan­t für Programme wie Watson Analytics sind auch Umfragen un- ter den Angestellt­en, etwa über ihre Arbeitszuf­riedenheit, die Bewertung von Kollegen und Vorgesetzt­en.

In Deutschlan­d ist die Auswertung­en solcher Datenmenge­n für die meisten Firmen Zukunftsmu­sik. Besonders kleinere Betriebe haben dafür keine Ressourcen. Der Netzaktivi­st und Journalist Matthias Spielkamp meint: »Viele Unternehme­n haben schon Probleme damit, ihre Personalak­ten zu digitalisi­eren.« Auch der vergleichs­weise strenge Datenschut­z und die Mitbestimm­ung sorgen hierzuland­e dafür, dass die datenbasie­rte Auswertung der Mitarbeite­r weniger fortgeschr­itten ist als andernorts.

Spielkamp sieht in guten Berechnung­en durchaus Vorteile. Für ihn ist die zentrale Frage, wie mit den Er- gebnissen umgegangen wird. Welche Entscheidu­ng trifft eine Vorgesetzt­e, wenn sie weiß, dass junge Frauen mit höherer Wahrschein­lichkeit die Firma verlassen wollen? Verbessert sie ihre Arbeitsbed­ingungen, oder hört sie auf, junge Frauen einzustell­en? Das, so Spielkamp, blieben am Ende menschlich­e Entscheidu­ngen.

Simbeck sieht allerdings die Gefahr, dass Menschen den Prognosen unkritisch folgen. Das Verständni­s der Algorithme­n hat deshalb für sie Priorität. Nur wenn Personalpl­aner, Mitarbeite­r und Betriebsrä­te die Logik verstünden, könnten sie gut damit umgehen – oder sich dagegen wehren. Gerade für Beschäftig­tenvertret­er wird die digitale Kompetenz so zu einem entscheide­nden Machtfakto­r.

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Foto: Getty Images/iStockphot­o Sind Roboter die besseren Personalen­tscheider?

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