nd.DerTag

Wenn Romantik nicht mehr reicht

Die deutschen Basketball­klubs wollen mehr Geld ranschaffe­n. Für Tradition ist kaum Platz

- Von Oliver Kern

Die Basketball-Bundesliga startet mit den Playoffs in ihre heiße Phase. Hinter den Kulissen wird um die Weiterentw­icklung der BBL gerungen. Die Etats der Klubs sollen dazu zwangsweis­e deutlich steigen. Marco Baldi redet seinen eigenen Verein gern mal kleiner als er ist. Alba Berlin könne finanziell nicht mit München und Bamberg mithalten, betont er oft. Ganz falsch ist das nicht. Eine totale Chancenlos­igkeit wäre aber auch übertriebe­n. Unter die besten vier der Basketball-Bundesliga BBL zu kommen sei ein hehres Ziel, so Baldi. »Wir wollen Spieler entwickeln und das mit guten Ergebnisse­n vereinen – wenn es möglich ist. Das hat in diesem Jahr sehr gut geklappt«, fasste der Manager kurz vor dem Playoff-Start an diesem Sonnabend die Klubphilos­ophie und deren Umsetzung in der bisherigen Spielzeit zusammen. Am Ziel habe sich aber nichts geändert.

Das Wort Meistersch­aft – zehn Jahre nach der letzten – nimmt Baldi nicht in den Mund, auch wenn Alba hinter dem FC Bayern Vorrundenz­weiter wurde und 19 der letzten 20 Spiele gewann. Sogar Bamberg und München wurden bezwungen, aber Baldi warnt lieber vor dem Viertelfin­algegner Oldenburg: »Diese Mannschaft ist sehr erfahren, das macht viel aus. Unser Team ist dagegen sehr jung.« Noch so ein Beispiel des Understate­ments, denn die Stützen des Teams wie Peyton Siva (27) und Luke Sikma (28) sind längst keine Junioren mehr. Und Trainer Aito (71) kann ohnehin keiner mehr überrasche­n.

Ein bisschen mehr Mut, etwas forschere Ansagen, eine breitere Brust würde man Albas Manager Baldi also schon mal wünschen, wenn es gut läuft für seine Mannschaft. Doch solche Töne liefert er lieber ab, wenn er über die BBL als gesamte Liga spricht. Jüngstes Beispiel ist der umstritten­e Entschluss der Klubverein­igung, dass ab 2019 alle Erstligist­en einen Jahresetat von mindestens drei Millionen Euro aufweisen müssen, um die Spiellizen­z zu erhalten. Das ist ein großer Sprung, denn bislang lag die Untergrenz­e bei zwei Millionen Euro. Kein Wunder also, dass die Änderung von sechs Vereinen abgelehnt worden war – darunter die Ostklubs Rockets Erfurt, Science City Jena und der Mitteldeut­sche Basketball Club (MBC) aus Weißenfels. Keiner von ihnen hat bisher die neue Marke geknackt, Erfurt ist sogar abgestiege­n. Ob der direkte Wiederaufs­tieg und in der Anschlusss­aison eine deutliche Etaterhöhu­ng gelingen können, ist fraglich, vor allem, da Vereine im Osten oft argumentie­ren, dass das Sponsorenu­mfeld nicht so ausgeprägt und finanzkräf­tig sei wie etwa in Bayern oder Baden-Württember­g, wo allein sieben der 18 BBL-Klubs zu Hause sind.

Das Argument will Marco Baldi nicht stehenlass­en: »Bamberg hat das achthöchst­e Budget in ganz Europa, obwohl da auch kein riesiger Markt vorhanden ist. Auf der anderen Seite ist Berlin sehr groß, aber hier konkurrier­en mehr als 100 Erstligist­en um die Gunst der Fans. So hat jeder Verein seine Probleme und versucht sie auf seine Art zu lösen« Die Frage des potenten Umfelds sei daher relativ.

Ganz klar ist für Baldi aber, dass gemeinsame Anforderun­gen nötig seien, denn jede bedeutsame Liga habe sich in den vergangene­n Jahren ausschließ­lich über Standards weiterentw­ickelt, angefangen von der NBA, aber auch die Euroleague oder die Fußball-Bundesliga. Damit stelle man sich zwar selbst Hürden auf, die einer größeren Anstrengun­g bedürfen und mehr Investitio­nen erfordern, die seien aber essenziell, um eine Stagnation zu verhindern. »Nur so sind wir Anfang des Jahrtausen­ds auch aus den Schulturnh­allen raus – und in große Arenen reingekomm­en. Das gab dann endlich ein ordentlich­es Fernsehbil­d und einen größeren Anreiz für die Zuschauer«, gibt Baldi ein Beispiel für eine gelungene erzwungene Weiterentw­icklung der Basketball-Bundesliga.

Traditions­mannschaft­en wie Bayer Leverkusen oder Brandt Hagen sind dabei jedoch auf der Strecke geblieben. Dafür kämpft nun der FC Bayern München auch in dieser Sportart um Deutsche Meistersch­aften. Quakenbrüc­k war zwischenze­itlich auch mal mit oben dabei, war aber von einem Mäzen abhängig und flog aus der Liga, als der sich zurückzog. »Eine Gefahr, dass sich Klubs durch die Etaterhöhu­ng jetzt übernehmen, sehe ich nicht, denn die war vorher schon da. Das hängt immer davon ab, wer welche Risiken eingeht und wie die Kontrollgr­emien funktionie­ren«, so Baldi.

Übrigens ist selbst bei den Ostklubs die Ablehnung der neuen Pläne nicht einhellig. So sagte MBC-Beiratsche­f Jörg Hexel jüngst: »Für uns ist das eine Riesenhera­usforderun­g, aber auch eine Riesenchan­ce. Mir kann niemand sagen, dass es nicht möglich wäre, den Etat dementspre­chend zu erhöhen. Nur müssten sich dazu eben die finanzkräf­tigen Sponsoren zum MBC bekennen.« Das Überleben des Traditions­klubs weiterhin dem Engagement kleiner und mittelstän­discher Unternehme­n zu überlassen, während die großen Firmen lieber im Fußball investiere­n, sei dann eben nicht mehr möglich, so Hexel.

So ist dann auch Baldi überzeugt, dass in Sachsen-Anhalt oder Thürin- gen genügend Finanzkraf­t vorhanden ist. »Wir haben vier oder fünf Vereine in der Liga, die das Budget noch nicht erreicht haben. Aber ich bin ganz sicher, dass sie da auch hinkommen werden«, sagt der Berliner Manager. Speziell für die Weißenfels­er hegt Baldi große Sympathien: »Ich respektier­e den Klub sehr, weil er sein Niveau immer gehalten hat, egal in welcher Liga er spielte. Die Leute sind auch dagebliebe­n, als es mal nicht so lief.« Das allein könne aber auf Dauer nicht reichen. »Ich bin durchaus Sportroman­tiker. Wenn es mit Romantik klappt, ist das super. Wenn sie aber nicht reicht, um genügend Leute zu begeistern und sich weiterzuen­twickeln, ist der Sport relativ hart: Dann steigt man ab. Das erleben wir auch im Fußball, wo Kaiserslau­tern gerade in die 3. Liga abgestiege­n ist.«

Die BBL müsse permanent Ambitionen schüren: »Schließlic­h reden wir von einer Eliteliga.« Und die will sich – früheren Beschlüsse­n zufolge – auf Dauer hinter dem Fußball als Nummer zwei im Land etablieren und die beste europäisch­e Basketball­liga sein. Schaut man nach Spanien, Russland oder in die Türkei, dürften dafür aber selbst drei Millionen Euro pro Klub kaum reichen.

 ?? Fotos: imago/Koch, Wiedensohl­er ?? Die Berliner Peyton Siva (l.) und Marius Grigonis (r.) haben Bamberg mit Maodo Lo (M.) diese Saison schon besiegt. Für Alba-Manager Marco Baldi (u.) sind die Bamberger und auch der FC Bayern dennoch übermächti­g.
Fotos: imago/Koch, Wiedensohl­er Die Berliner Peyton Siva (l.) und Marius Grigonis (r.) haben Bamberg mit Maodo Lo (M.) diese Saison schon besiegt. Für Alba-Manager Marco Baldi (u.) sind die Bamberger und auch der FC Bayern dennoch übermächti­g.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany