nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Stephan Fischer

Die schöne neue Arbeitswel­t zeichnet sich vor allem durch unzählige Formen der Kommunikat­ion miteinande­r, untereinan­der und manchmal nebeneinan­der her aus. Dabei ist erstaunlic­h, dass es nicht viel öfter zum großen Durcheinan­der kommt. In der nd-Redaktion sorgt ein scheinbar ausgeklüge­ltes System dafür, dass jede und jeder auf dem Laufenden bleibt: Ressortsit­zungen und Redaktions­sitzungen bilden die Grundlage, dazu an jedem Platz ein Telefon und ein Computer samt zugehörige­n E-Mail-Postfach. Dort wird dann auch noch fleißig gechattet und getwittert und geskypt; wem das immer noch nicht reicht, bleiben die Kantinengä­nge mit den Kollegen oder die eine oder andere Sitzung nach Feierabend – natürlich mit quotierter Redner/innenliste.

Nun kann ja nicht jeder und jede ständig auf allen Kanälen präsent sein, die Zeitungsse­iten blieben leer. So müssen die elementare­n Informatio­nen zu allen Betreffend­en durchdring­en – und irgendwie klappt das auch immer. Ein noch größeres Faszinosum stellt dieser Befund dar, bedenkt man, dass auf zwei Wege direkter Kommunikat­ion seit Langem verzichtet wird: Die Rohrpost im nd-Gebäude ist nur noch flüchtige Erinnerung, ein Telegrammb­ote wurde in der Nähe des Ostbahnhof­es schon lange nicht mehr gesichtet. Aber nicht nur der Beruf, auch das zu befördernd­e Schriftstü­ck verschwind­et langsam. In Frankreich wurde in dieser Woche das letzte seiner Art verschickt. »Ein Kapitel der Telekom-Geschichte ist beendet – STOP«, so lautete sein Inhalt. Nüchtern, sachlich, Telegramms­til halt.

Aber um Technologi­en und Techniken wird im Zweifel wenig getrauert, sie verschwind­en auch weniger mit einem lauten Knall, sondern treten langsam hinter den Vorhang der Geschichte zurück. Und neue treten hervor. Mit denen tut man sich immer schwerer, desto mehr man von den alten schon erlebt hat. Der britische Autor Douglas Adams hat dazu folgende Gesetzmäßi­gkeit postuliert: »1. Alles, was schon auf der Welt ist, wenn Du geboren bist, ist natürlich und hält die Welt am Laufen. 2. Alles, was zwischen Deinem 16. und 36. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolution­är. Und hey, vielleicht kannst Du in dem Bereich sogar Karriere machen! 3. Alles, was nach Deinem 36. Lebensjahr erfunden wird, ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge.«

Seit einigen Tagen ist das »nd« schon in seinem 73. Lebensjahr, also mehr als doppelt so alt. Glückwunsc­htelegramm­e gab es keine, aber die sind in diesem Alter vielleicht auch nicht mehr so wichtig. Wichtiger ist doch, da wo es nötig ist, mit der Zeit zu gehen. Aber immer dann, wenn von Menschen und »natürliche­r Ordnung der Dinge« gesprochen wird, innezuhalt­en und sich zu erinnern: Nichts ist ewig wie in Stein gemeißelt – viel mehr flüchtig wie Rauchzeich­en.

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