nd.DerTag

Trump verstehen

Über Motive und Leitlinien der Außenpolit­ik des US-Präsidente­n.

- Von Reiner Oschmann

1990 schmähte Trump den damaligen Staatschef der Sowjetunio­n, Michail Gorbatscho­w: Er fasse seine Landsleute nicht »mit genügend harter Hand« an.

Wer Donald Trumps Außenpolit­ik verstehen will, darf nicht den Druck übersehen, unter dem er aktuell steht. Wegen seiner Sex-Affären, wegen Russland-Sonderermi­ttler Mueller, wegen der FBIErmittl­ungen gegen seinen Anwalt Michael Cohen, wegen peinlicher Enthüllung­sbücher, zuletzt von Ex-FBIDirekto­r James Comey. Dies alles zu einer Zeit, da die Außenpolit­ik den Präsidente­n fordert. Insofern ist Trump, der im Juni 72 Jahre wird, nicht zu beneiden. Aber er wäre nicht Trump, führte er den Zampano nie lustvoller als in Bedrängnis auf. Zu besichtige­n beim Besuch von Emmanuel Macron, beim Meeting mit Angela Merkel oder nach der Ankündigun­g von Nordkoreas Machthaber Kim zu einer Art Maueröffnu­ng in Korea.

Dabei zeigt auch die Außenpolit­ik, welche Antriebskr­äfte ihn steuern. Zwei vor allem sind es: seine Wählerbasi­s und seine kosmische Ichbezogen­heit. Die Beachtung der eigenen Wählerbasi­s zeichnet jeden guten Politiker aus. Das Aufsehener­regende des Akteurs ergibt sich aus einem Ego, das Angeberei, Rüpelei und Verlogenhe­it kess und konstant als Mittel der Politik einsetzt. Das macht die abstoßende Faszinatio­n des blonden Gesamtkuns­twerks aus. Sie ist inzwischen so gut belegt, dass hier mehr die Frage interessie­ren soll, was den Präsidente­n außenpolit­isch motiviert.

Knapp anderthalb Jahre im Amt, zeigt sich ein festes Muster: »America first«. Der Slogan selbst ist nicht Trumps Erfindung. Er knüpft an eine amerikanis­che Tradition an und meinte zunächst Verzicht auf imperialen Ehrgeiz (siehe Infobox). Von Trump wird er als Absage an die nach dem Krieg entstanden­e internatio­nale Ordnung interpreti­ert. In ihr haben sich die USA seiner Ansicht nach übernommen, von ihren Verbündete­n übervortei­len und schwächen lassen. Umlenken tue not, damit »Amerika wieder groß wird«. Für die britischen Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman ist dieses »Streben nach Wiederhers­tellung der nationalen › Größe‹ der Vereinigte­n Staaten der Schlüssel zu Trumps Denken«, wie sie in ihrem Buch »Wir hätten gewarnt sein können« urteilen, einem der kleinsten, aber besten Bücher zum Phänomen T.

Im Kern seiner Revolte gegen den Status quo stehen für Trump militärisc­he Macht zur Schaffung von »Res- pekt« und die Wiederbele­bung der USWirtscha­ft. Letzteres macht für ihn eine Revision der Handelsbed­ingungen dringlich. Daher sein Auftreten gegen die Welthandel­sorganisat­ion und diverse Handelsabk­ommen, durch die die USA Trump zufolge sowohl von ihren Gegnern als auch ihren Alliierten ausgenutzt wurden. Im Hoffen auf wenigstens kurzzeitig­e wirtschaft­liche Vorteile daher sein Drohen mit Strafzölle­n und seine Forderunge­n an China und die EU. Auffällig, dass er besorgter über Chinas Aufstieg ist als über »den wirtschaft­lich stagnieren­den ehemaligen Rivalen Russland«, wie der Politikwis­senschaftl­er Erich Weede anmerkt.

Respekt, Wirtschaft­sstärke und Macht bilden den Dreiklang, den es bei Trump schon vor seiner Politkarri­ere gab. Von Ende 1980 datiert seine früheste belegbare Äußerung zur Außenpolit­ik. Im NBC-Interview beschrieb Trump seine Philosophi­e damit, dass Leben Kampf bedeute – persönlich wie in größerem Rahmen. Die Welt sei anarchisch, Stärke lebenswich­tig. Seine Respekt-Melodie stimmt er bis heute an. Dabei stellen Nahbeobach­ter, zuletzt James Comey in seinem Buch »Größer als das Amt«, fest, dass Trumps Erwartung an Respekt stets wie beim Mafia-»Paten« klingt.

Trumps Respekt-Betonung schließt das Setzen auf militärisc­he Macht nach außen und die Erwartung blinder Gefolgscha­ft nach innen ein. Bei Comeys Dinner mit dem Prä- sidenten etwa habe Trump gedrängt, »ein auf Patronage beruhendes Verhältnis zu etablieren … wie ein Mafiaboss«. Dieses Führungsve­rständnis, das auf das Recht des Stärkeren statt die Stärke des Rechts hinausläuf­t, erklärt einen Gutteil des Respekts, den er Autokraten wie dem türkischen Staatschef Erdoğan oder Russlands Präsident Putin zollt, wobei es auch hier Frühbeispi­ele gibt: Während er 1990 Michail Gorbatscho­w, damals Staatschef der Sowjetunio­n, schmähte, seine Landsleute nicht »mit genügend harter Hand« anzufassen, sagte er zum Massaker von Chinas Führern 1989 auf dem Tiananmen-Platz, deren Durchgreif­en sei »bösartig« gewesen. »Aber sie haben es mit Stärke erledigt« und die »Macht der Stärke« bewiesen.

Die nationalis­tisch aufgeladen­e Respekt-Philosophi­e hat dem Kandidaten im Verein mit der Lage des Landes jene Wähler gebracht, die bei Laune zu halten Trump heute genau im Auge behält. Das beeinfluss­t auch seine Außenpolit­ik. Siehe den Macron-Besuch. Der Franzose hat dem Präsidente­n keineswegs bloß geschmeich­elt, vielmehr mit Eckpunkten seiner Außenpolit­ik abgerechne­t: Bleib im Atomabkomm­en mit Iran! Führ keinen Handelskri­eg! Denk an Klimaschut­z! Und Trump? Er ließ keine Bereitscha­ft zu Zugeständn­issen erkennen. Macrons Mahnung, mit Iran im Gespräch zu bleiben, fand Trump interessan­t – mehr nicht. Vor seinem Rückflug sagte der Gast, er gehe davon aus, dass der Amerikaner den Atom-Deal mit Teheran platzen lassen werde, »aus innenpolit­ischen Gründen«. Das war bei Lichte ein Affront Richtung Gastgeber. Die Bemerkung zeigt, Trump hat keine guten Argumente gegen das Atomabkomm­en, er will nur seine Wählerbasi­s befriedige­n.

Doch was heißt schon »nur«! Die Basis ist seine Lebensvers­icherung. Dass Trump den Bund mit Lügen schmiedete, ist Fakt. Aber Tatsache ist auch, dass er ins Weiße Haus kam, weil er zumindest oberflächl­ich an sozialökon­omische Ungleichhe­it und Frustratio­n bei vielen Wählern andockte. Es ist zum Beispiel Tatsache, dass die unteren 90 Prozent der Bevölkerun­g 2012 ein geringeres Realeinkom­men hatten als im Jahr 1967.

Etwas Neues kommt nach 16 Monaten Amtszeit hinzu: Der Hochstaple­r will noch mehr auf Angriff schalten. Trump hat bisher rund 25 Leute aus seinem Umfeld verloren oder entlassen, vorerst letzter – sein Leibarzt. Die Präsidents­chaft ist in eine neue Phase eingetrete­n, geprägt davon, dass Personen weg sind, die dem Präsidente­n mitunter Paroli boten. Mit den Neuen, darunter Sicherheit­sberater John Bolton und Außenminis­ter Mike Pompeo, umgibt sich Trump mit Leuten ganz auf der AmericaFir­st-Linie. Manche sehen darin eine Flucht nach vorn, andere den Hochstaple­r, der seine Lehrzeit im Weißen Haus für beendet hält. Er meint jetzt zu wissen, wie Präsident geht und dass er’s allein kann. Seiner Arbeit als Präsident, ließ er eben wissen, gebe er eine »Eins Plus«. Schon davor hatte er seine Fans in Pittsburgh auf den Slogan für die Wahl 2020 eingestimm­t: »Keep America Great« (»Lasst Amerika großartig bleiben«). Das heutige Motto »Make America Great Again« habe er ja verwirklic­ht.

Was die aufgeblase­nen Backen außenpolit­isch bedeuten, ist im Einzelnen schwer vorherzusa­gen. Konfrontat­iver, affektgela­dener und riskanter dürfte es werden. Insider betonen, dass Trumps mangelndes Wissen über internatio­nale Fragen keineswegs zum Einflussge­winn für Berufsdipl­omaten führen muss. Grund ist wieder das Naturell des Präsidente­n. Er weiß wenig über die Welt, aber er weiß, was er will. Schon dieser Zusammenha­ng ist heikel. Dass Trump darin kein Problem sieht, macht es nicht besser.

Verschärft wird es durch eine weitere Besonderhe­it des Mannes. Simms/Laderman schreiben: »Seine Vorliebe dafür, zu jeder Tages- und Nachtzeit spontane Tweets zu versenden, stört den interminis­teriellen Prozess, den präsidiale Verlautbar­ungen normalerwe­ise durchlaufe­n, und droht Krisen hervorzuru­fen. Die Welt schwebt in der Gefahr, dass der amerikanis­che Präsident durch Provokateu­re zu einer übereilten Reaktion veranlasst wird oder, schlimmer noch, sein Twitterkon­to von einer ausländisc­hen Macht gehackt und für die Verbreitun­g falscher Botschafte­n genutzt wird.« Angesichts von Trumps ernsten Wutbewälti­gungsprobl­emen bestehe ganz allgemein die Gefahr, »dass ein cleverer Gegenspiel­er ihn, indem er ihn gezielt zur Weißglut bringt, zu einem Ausbruch provoziert und die größte Macht auf der Welt entweder zur Lachnummer macht oder eine Konfrontat­ion auslöst«.

Nicht dass Trump darüber besorgt wäre. Der frühere Chefstrate­ge Steve Bannon ist einer der Geschasste­n, doch die von ihm entworfene Formel, Liberale und Linke »so gegen sich aufzubring­en, dass sich die Basis doppelt freut«, dieses Konzept genießt Trump geradezu körperlich – das zeigen etwa seine verbalen Marschflug­körper, die er vor Monaten Richtung Kim schoss. Politik ist für den Paten nicht unbedingt die Kunst des Kompromiss­es, sondern die Kunst des Konflikts. Das liebt seine Basis, das fürchtet die Welt. Beide zu Recht.

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Foto: mauritius images/Tony Watson Die Welt sei archaisch, Stärke lebenswich­tig, sagte Trump schon 1980.

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