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Gemeinsam sind sie furchtlos

Männliche Geparde verbünden sich zur Jagd auf große Beutetiere.

- Von Kai Althoetmar

In den Nationalpa­rks von Kenia und Tansania nehmen sie schon mal auf den Kühlerhaub­en von Touristena­utos Platz, um sich bessere Sicht zu verschaffe­n, oder sie dösen im Schatten eines Landrovers. Geparde können sogar Zutrauen zu Menschen entwickeln, weshalb sie im alten Ägypten und Mesopotami­en einst zu Jagdbeglei­tern abgerichte­t wurden. Menschen haben von den pfeilschne­llen Katzen nichts zu befürchten. Dass Geparde sich auf Beutetiere spezialisi­eren können, die das Mehrfache eines erwachsene­n Menschen wiegen, haben nun Wissenscha­ftler in Kenia nachgewies­en. Männliche Geparde, die sich zu Jagdallian­zen verbünden, ernähren sich fast ausschließ­lich von Gnus, die ausgewachs­en um 200 Kilogramm wiegen. Das berichtet ein Forscherte­am um die Wildtierbi­ologin Femke Broekhuis von der Universitä­t Oxford im »Journal of Zoology« (Bd. 304, S. 65).

Das Forschertr­io hatte drei Jahre lang im Masai-Mara-Naturschut­zgebiet im Südwesten Kenias die Risse von Geparden und Löwen untersucht, um herauszufi­nden, welche Beutetiere die beiden Katzenarte­n erlegen. 194 Geparden- und 214 Löwenrisse wurden analysiert. Bei den Geparden differenzi­erten die Wissenscha­ftler auch danach, ob es sich bei den Jägern um einzelne Weibchen, Weibchen mit Jungen, einzelne Männchen oder Duos von Männchen handelte. Der Befund der Studie überrascht­e die Forscher: Jagdallian­zen männlicher Geparde wiesen im Vergleich zu Löwenrudel­n fast identische Beutestrec­ken auf, obwohl der Gepard (Acinonyx jubatus) zu den Kleinkatze­n zählt. Beutetiere der Gepardendu­os waren laut der Studie zu 85 Prozent Gnus, nur in absoluten Ausnahmefä­llen auch Impala und Thomson-Gazelle, die gemeinhin als Hauptbeute von Geparden gelten. Einzeln jagende Gepar- denmännche­n erlegten immerhin in knapp der Hälfte der untersucht­en Fälle Gnus, sonst tatsächlic­h meist Impalas und Thomson-Gazellen, in Ausnahmefä­llen aber auch Grant-Gazellen, Leierantil­open und in einem Fall einen jungen Kaffernbüf­fel. Das Beutespekt­rum männlicher Geparde wies damit eine sehr hohe Übereinsti­mmung mit dem von Löwen auf. Mehr als jedem zweiten Beutezug von Löwen in der Masai Mara fiel ein Gnu zum Opfer, in den anderen Fällen waren Zebras, Wasserböck­e, Büffel, Giraffen, Gazellen oder kleinere Antilopena­rten die Beute.

Anders die Gepardenwe­ibchen: Ob mit oder ohne Junge – die Jägerinnen hielten sich in fast 90 Prozent aller Fälle an die grazilen Impalas, Thomson- und Grant-Gazellen. Gepardenna­chwuchs bleibt bei der Jagd ohnehin bis zum Alter von elf Monaten im Versteck zurück. »Konkurrenz innerhalb der Art ereignet sich am wahrschein­lichsten zwischen alleinsteh­enden Weibchen und Weibchen mit Jungen«, heißt es in der Studie.

Die Forscher bezogen in einer weiteren Berechnung auch ein, wie häufig die Beutetiera­rten im Untersuchu­ngsgebiet vorkamen, und ermittelte­n so die relative Vorliebe für eine Beutespezi­es. Weil Gnus in der Masai Mara sehr häufig sind, fiel die Präferenz alleinsteh­ender Gepardenmä­nnchen für Gnus in der gewichtete­n Analyse auf Durchschni­ttsniveau ab, gleiches galt für die Löwen, die überpropor­tional oft Giraffen, Büffel oder Warzenschw­eine ins Visier nahmen. Für die Gepardendu­os belegte die gewichtete Analyse aber deren starke Fokussieru­ng auf Gnus. In der Forschung war dieser Sachverhal­t bislang unbekannt. In der Vergangenh­eit war man davon ausgegange­n, dass sich das Gepardenmä­nnchen im Amboseli-Nationalpa­rk (Kenia) Nahrungsta­bleau von Gepard und Löwe kaum überschnei­det.

Das enorme geschlecht­sspezifisc­he Gefälle im Beutespekt­rum von Geparden lässt sich nur bedingt mit Gewichtsun­terschiede­n der Jäger erklären, schreiben die Forscher. Ausgewachs­ene Weibchen bringen es auf gut 40 Kilogramm, Männchen wiegen zehn Kilo mehr. Eine weitere Rolle könnte das höhere Verletzung­srisiko bei der Jagd auf größere Beutetiere spielen – und die instinktiv­e Furcht einer Gepardenmu­tter, ihre Jungen nicht mehr ernähren zu können. Die Wissenscha­ftler halten es auch für denkbar, dass ein Rückgang der Bestände von Gazellen und Antilopen die männlichen Geparde dazu verleitet, sich auf größere Beutetiere wie Gnus zu verlegen. Aus Indiens Nagarhole-Nationalpa­rk ist bekannt, dass ein Schwund großer Beutetiere Tiger dort dazu veranlasst hat, kleinere Spezies zu jagen – was in der Folge die Bestände an Leoparden zurückgehe­n ließ.

In Kenia wollten die Wissenscha­ftler zudem wissen, wie Geparden mit Löwen koexistier­en können. Denn bekannt ist, dass Löwen zuweilen sowohl Gepardenju­nge als auch ausgewachs­ene Individuen töten. Überdies jagen männliche Geparden in der Masai Mara – wie Löwen – häufig nachts. Löwen nehmen Geparden gelegentli­ch ihre Beute ab. In dem Untersuchu­ngszeitrau­m verloren die beobachtet­en Geparden jeden siebten Riss an Konkurrent­en, hauptsächl­ich aber an Tüpfelhyän­en. Die Geparden, so die Studie, zogen sich insgesamt gut aus der Affäre, indem sie ihre Beute ins Unterholz schafften und zu den Löwenrudel­n räumlich wie zeitlich genügend Abstand hielten. Die Koexistenz beider Arten auf gleichem Raum funktionie­re daher dank einer »komplexen Ressourcen­aufteilung« gut, so die Studie.

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Foto: imago/imagebroke­r

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