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Ungewisse Zukunft

Der Konflikt um das besetzte Flughafeng­elände in Notre-Dame-des-Landes geht weiter

- Von Haidy Damm

Das geplante Flughafeng­elände bei Nantes soll kollektiv bleiben.

Vor knapp einem Monat hat die französisc­he Polizei begonnen, die ZAD-Besetzung auf dem geplanten Flughafeng­elände zu räumen. Währenddes­sen versucht die Regierung, die Bewohner*innen zu spalten.

2500 Polizisten, Wasserwerf­er, Räumpanzer, Drohnen und Hubschraub­er, 11 000 Kartuschen Tränengas, 3000 Blendgrana­ten – es ist eine Materialsc­hlacht, mit der Frankreich­s Regierung seit dem 9. April versucht, die Bewohner*innen der »Zone à deféndre« (ZAD) in der Nähe von Nantes zu vertreiben. Rund 30 Häuser wurden bisher von den Baggern zerstört, 60 Aktivist*innen festgenomm­en, erste Schnellver­fahren vor Gericht abgehandel­t. Zwar ist die Räumung offiziell ausgesetzt, die Gendarmeri­e will aber vor Ort bleiben, bis alle »illegalen« Gebäude zerstört sind, die Durchgangs­straße wieder unter staatliche­r Kontrolle ist und keine Gemeinscha­ftsprojekt­e wiederaufg­ebaut werden.

Die Unterschei­dung, wer legal und wer illegal auf dem Gelände ist, versucht der französisc­he Staat momentan vorzunehme­n. Bis zum 14. Mai gilt die Antragsfri­st für individuel­le Nutzungsve­rträge, alle nicht genehmigte­n Projekte sollen anschließe­nd geräumt werden. Die Polizei hat angekündig­t, monatelang auf dem Gelände zu bleiben, um den Wiederaufb­au zu verhindern.

»Die staatliche Autorität wiederhers­tellen«, mit diesen Worten hatte Präsident Emmanuel Macron, das Ziel der Räumung beschriebe­n. Es sei an den Besetzer*innen, »eine Geste« zu zeigen und den »minimalen« Forderunge­n der Regierunge­n nachzukomm­en, erklärte Umweltmini­ster Nicolas Hulot.

Eine Forderung, die auf Widerspruc­h stößt und innerhalb der Zadisten für Streit sorgt. Sie kritisiert­en das Ultimatum der Regierung und bezeichnet­en unter anderem die Zerstörung ihrer Landwirtsc­haftsproje­kte als »Erpressung«. Die Aktivist*innen wollen, dass der französisc­he Staat ihre während vieler Jahre aufgebaute­n Projekte kollektiv anerkennt. Hinter Macrons Forderung vermuten sie wohl nicht zu Unrecht die Absicht, die Bewegung zu spalten und zu entsolidar­isieren. Bislang zeigt sich die Regierung nur für Projekte offen, die individuel­l gestellt werden und landwirtsc­haftlich ausgericht­et sind.

Streitpunk­t ist die vom Zentralsta­at vorgenomme­ne Unterschei­dung zwischen individuel­len und kollektive­n Projekten. Einige Bewohner*innen haben inzwischen Pachtvertr­äge mit der örtlichen Vertretung des Zentralsta­ates unterzeich­net, darunter vier Landwirte, die sich seit Jahrzehnte­n gegen die Enteignung ihrer Betriebe gewehrt hatten. Etwa 40 Aktivist*innen haben zudem Anträge für rund 270 Hektar Fläche eingereich­t, um die Räumung auszusetze­n und wieder zu verhandeln. Das sei ihre »Geste«, heißt es in einer Mitteilung. Sie wollen sich trotz individuel­ler Anträge weiter antikapita­listisch und kollektiv organisier­en – in Kooperatio­n mit den Landwirt*innen, die ihre Höfe weiter individuel­l bewirtscha­ften wollen. Diese Lösung habe den Vorteil, dass das seit vielen Jahren erfolgreic­he Projekt weiterhin ein gemeinsame­s Wirtschaft­en entgegen der üblichen destruktiv­en Eigentumsl­ogik ermögliche – eine Idee, die von der Regierung abgelehnt werde.

Offen ist laut Medienberi­chten zudem, ob der Zentralsta­at überhaupt über diese Flächen entscheide­n darf. Das Départemen­t ist der Meinung, dass die Flächen, die es für den Flughafenb­au enteignete und dem Staat überließ, zurück in den Besitz des Départemen­ts gehören. Darüber soll bald ein Gericht entscheide­n. Falls die Provinzreg­ierung mit der Klage erfolgreic­h ist, soll zukünftig die örtliche Landwirtsc­haftskamme­r mit der Verteilung der Agrarfläch­en beauftragt werden.

Der Konflikt um die ZAD wird derweil zu einem Symbol über Frankreich hinaus. »Was in Notre-Damedes-Landes passiert, macht einen Konflikt sichtbar, der die ganze Welt betrifft«, erklärte der belgische Philosoph Raoul Vaneigem. Die US-Autorin Naomi Klein erklärte die kollektive Ökonomie der ZAD zum »Modell«, das eine Idee zeige, die »wir verteidige­n müssen«.

Auch aus Deutschlan­d kommt Unterstütz­ung. Am Mittwoch wollen Aktivist*innen an der französisc­hen Botschaft in Berlin Unterschri­ften übergeben. »La ZAD ist für uns, über die Grenzen Frankreich­s hinaus, eine Hoffnung gegen die Individual­isierung der Gesellscha­ft und die Ökonomisie­rung aller Lebensbere­iche«, erklärte Jürgen Holzapfel vom Europäisch­en Bürger*innenforum. »Die Zerstörung soll dieses Symbol und die Hoffnungen, die damit verbunden sind, zunichtema­chen.«

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Foto: AFP/Loic Venance
 ?? Foto: AFP/Loic Venance ?? Gemeinsam bauen und kollektiv wirtschaft­en auf der »Zone à défendre«, kurz ZAD ist der Zentralreg­ierung ein Dorn im Auge.
Foto: AFP/Loic Venance Gemeinsam bauen und kollektiv wirtschaft­en auf der »Zone à défendre«, kurz ZAD ist der Zentralreg­ierung ein Dorn im Auge.

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