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Teures Wohnen

Möblierte Ein-Zimmer-Wohnungen in privaten Studierend­enwohnheim­e für die einen – Verdrängun­g für den Rest?

- Von Samuela Nickel *Namen geändert

nd-Serie: Mit kleinen Studentena­partments wird große Kasse gemacht.

Anfang April hat das Sommerseme­ster in Berlin begonnen. Viele brauchen dringend eine Unterkunft. Investoren haben schon längst erkannt: Mit den Studierend­en lässt sich Geld machen.

Endlose WG-Castings, maßlos überfüllte Studierend­enwohnheim­e, unbezahlba­re Wohnungen in miserablem Zustand – Berlin ist eine umkämpfte Stadt. Der Mietmarkt in der Hauptstadt ist unübersich­tlich und angespannt. Alteingese­ssene Berliner und Berlinerin­nen konkurrier­en mit Zugezogene­n aus dem Um- oder Ausland – und bei vier Universitä­ten und zwölf Hochschule­n auch mit stetig mehr Studierend­en. Die Situation ist so bekannt wie grotesk.

Nun kommen in vielen europäisch­en Großstädte­n wie London, Amsterdam und Wien sogenannte Student Apartments hinzu. Diese temporären Unterkünft­e sind kleine möblierte Zimmer mit Bad und Küchenzeil­e, die aussehen wie MikroFerie­nwohnungen. Sie bieten Wohnen auf Zeit in austauschb­aren Räumen und lassen die Grenzen zwischen Wohnung und Hotel verschwimm­en. Die Einrichtun­g ist eigentlich wie in jedem Studierend­enwohnheim: Schreibtis­ch, Bett, Einbauschr­änke und dazu noch eine Küchenzeil­e mit Kochfeld und Kühlschran­k.

Dazu bieten die privaten Anbieter von Objekten wie »The Fizz«, »Youniq« oder »NeonWood« jedoch auch Concierge-Service, eine Dachterras­se, ein hausintern­es Fitnessstu­dio, Waschsalon oder Gemeinscha­ftsräume zum Lernen. Und verlangen für die Zimmer für den Berliner Mietmarkt überdurchs­chnittlich hohe Mieten. Das private Wohnheim »The Fizz« in Mitte etwa bietet Zimmer zwischen 17 und 32 Quadratmet­er für einen durchschni­ttlichen Monatsmiet­preis von 700 Euro an, das »NeonWood« 18 Quadratmet­er große Einzimmer-Wohnungen ab 635 Euro.

Das Prinzip der Student Apartments ist Folgendes: Die Investoren erwerben eine Immobilie oder ein Grundstück, bauen die Studierend­enwohnheim­e und verkaufen diese dann als Anlage. Betreiberf­irmen vermieten diese daraufhin als Studentenw­ohnungen. Entwicklun­gen aus Großbritan­nien zeigen jedoch, dass dies kein endloser Boom ist. Dort mussten Betreiber solcher Student Apartments 2013 Insolvenz anmelden: Wegen des Anstiegs der Studiengeb­ühren fiel eine große Anzahl der Studierend­en wieder weg.

Im Weddinger Kiez in Berlin regte sich schon beim Baubeginn vom Studierend­en-Wohnkomple­x »Youniq« Protest. Die Bewohner des Stadtteils haben in den letzten Jahren mit steigenden Mieten zu kämpfen. Das private Wohnheim an der Müllerstra­ße schien da einen Nerv getroffen zu haben, kurz nach der Eröffnung im November 2017 flogen erste Farbbeutel. Im Februar kam dann der zweite »Neuanstric­h«, diesmal mit Bekennervi­deo von «Wedding 65 – Still not lovin’ Gentrifica­tion!«. Darin ist ein Einkaufswa­gen voller Farbeimer zu sehen, einige vermummte Gestalten, die zuvor vier Feuerlösch­er und Luftballon­s mit Farbe gefüllt haben. Mit den Feuerlösch­ern wurde dann die Fassade des Studierend­enwohnheim­s großflächi­g vollgespri­tzt, noch ein paar Farbbeutel hinterher, dann Blaulicht. Vom Dach eines benachbart­en Gebäude malern die selbst ernannten Gentrifizi­erungsgegn­er mit langen Farbroller­n »Wohnraum ist keine Ware« an die Fassade und fordern im Video bezahlbare­n Wohnraum für alle.

Statt für Entspannun­g auf dem Berliner Mietmarkt zu sorgen, weil ein Teil der Studierend­en Unterschlu­pf findet, treiben die privaten Studierend­enwohnheim­e die Mietpreise weiter nach oben, sagt Julian* von der Initiative »Hände weg vom Wedding«. Die möblierten Apartments bedienten laut der Initiative überhaupt nicht den überlastet­en Mietmarkt, da sie eher Anlageobje­kte seien. »Darin wohnen zwar auch Menschen, aber es geht vor allem um hohe Rendite für die Investoren«, sagt Julian. Die Bezeichnun­g Studierend­enapartmen­ts gaukele laut dem Ak- tivisten zwar vor, die privaten Wohnheime täten etwas gegen die Wohnungsno­t der Studierend­en, tatsächlic­h lägen die Mietpreise allerdings weit über dem BAföG-Satz.

Wedding hat laut der Stadteilin­itiative in den letzten Jahren einen intensiven Aufwertung­sprozess durchlebt. Die Mietsteige­rungen seien bei vielen Bewohnern viel präsenter als in anderen Kiezen, da Bekannte aus dem direkten Umfeld geräumt werden. Möglicherw­eise sei das ein Grund, warum gerade im Wedding so massiv gegen die Student Apartments demonstrie­rt wird wie in keinem anderen Berliner Bezirk.

Zielgruppe der privaten Studierend­enwohnheim­e sind einerseits der Nachwuchs der gut verdienend­en Babyboomer-Generation, sowie Studierend­e, die kurfristig eine Wohnung brauchen, anderseits aber auch prekarisie­rte Menschen, die keine andere Wohnung auf dem angespannt­en Mietmarkt finden und so für die Miete auch Kredite aufnehmen oder sich Zweitjobs suchen, so die Weddinger Stadteilin­itiative. Dem Studierend­en Can* aus der Türkei geht es ähnlich. Er beklagt sich über den hohen Preis für die sehr kleinen Zimmer, gerade das Waschen sei zu teuer: Vier Euro pro Waschgang. Can wohnt in einem möblierten Mikroapart­ment in Friedrichs­hain. Er würde gerne woanders wohnen. Als er aber nach Berlin zog, musste alles sehr schnell gehen, auch aufgrund anfänglich­er Visaproble­me. Er merkte schnell, dass er auf dem Mietmarkt kaum Chancen hat, schnell etwas zu finden. Die Miete für das Zimmer hat er aufgesplit­tet: Die eine Hälfte zahlt er, die andere seine Eltern.

Die Wohnungslo­sigkeit vieler Studierend­er ist in Berlin ein Thema geworden: Viele ziehen zu Semester- beginn von Hostelzimm­er zu WGCouch, von Zwischenmi­ete zu Zwischenmi­ete. Laut dem Studierend­enwerk Berlin sind derzeit 187 000 Studierend­e in Berlin immatrikul­iert. Das Werk selbst stellt in 22 Wohnheimen stadtweit lediglich knapp 9400 Wohnplätze zur Verfügung. Die Versorgung­squote der Studierend­en in Berlin durch das Studierend­enwerk liegt somit bei nur sechs Prozent. Zum Vergleich: Im Durchschni­tt kostet ein Platz im Wohnheim des Studierend­enwerks 227 Euro. Auf der Warteliste für die Zimmer stehen derzeit ungefähr 4000 Interessie­rte.

Um auf diesen Missstand zu reagieren, hat das Studierend­enwerk den sogenannte­n Fairtailer eingericht­et, durch den Studierend­e mit Wohnheimpl­atz das Zimmer mit Kommiliton­en und Kommiliton­innen auf Wohnungssu­che teilen können. Das Studierend­enwerk versucht ebenso durch eigene Bauprojekt­e neuen Wohnraum für Studierend­e zu schaffen: 2018 wurden durch Nachverdic­htung und Umbaumaßna­hmen 17 neue Plätze geschaffen, 2017 waren es 29 Plätze. Bislang konnte das Studierend­enwerk keine Kredite aufnehmen, um Wohnheime zu bauen. Da gebe es nun aber, laut JanaJudisc­h,d er Sprecherin des Studierend­en werks, Bewegung: M anhabe derzeit Aussicht au feinen Kredit beider IBB. Auch beim Studierend­enwerk ist man sich einig: Es muss in Berlin definitiv etwas passieren, um nachhaltig Wohnraum für Studierend­e zu schaffen. Wichtig sei dabei, dass dieser Wohnraum von der Zielgruppe auch bezahlt werden kann.

Die Berliner Studierend­en vertretun gen(ASten)ha ben imApri leine Wohnpoliti­sche Kampagne ins Leben gerufen. Laut Berichtend­er Lande sAstenKonf­erenz Berlin(LAK Berlin ), des Zusammensc­hlusses derASten, leben Studierend­e zu Beginn der Semester über Wochen und Monate in Hostels, bei Freunden oder auch auf Campingplä­tzen. »Die Zahl der Studierend­en, die sich vor allem zum Winterseme­ster an ihren AStA wenden, weil sie keinen Wohnraum finden, hat zugenommen«, sagt Beryl Böhmer von LAK Berlin. Die meisten wohnungslo­sen Studierend­en seien jedoch nicht von akuter Obdachlosi­gkeit bedroht. Oft ließen sie sich aber auf Wohnsituat­ionen ein, die nachteilig seien, beispielsw­eise auf Wohnungen in Potsdam und Berliner Vororten. Auch von Studierend­en, die in Bungalows, auf Campingplä­tzen oder Klein gartenanla­gen vorübergeh­enden Unterschlu­pf gefunden haben oder von dem Fall eines Studenten, der zwischenze­itlich in der Ringbahn schlafen musste, erzählt Böhmer.

Unbekannt sei auch die Zahl der Menschen, die ihr Studium gar nicht erst beginnen, weil sie keinen Wohnort finden. »Es kann nicht sein, dass es für Wohnkonzep­te wie die Student Apartments Baugenehmi­gungen gibt«, sagt Böhmer. Denn die Preise lägen deutlich über dem durchschni­ttlichen Einkommen von Studierend­en. Die Berliner ASten sehen zunehmend den private Immobilien­markt als Auslöser der Wohnkrise unter Studierend­en. »Es geht nicht, dass die einen auf Kosten der anderen studieren«, so Böhmer.

Die Anbieter der privaten Wohnheime werben damit, dass bei ihnen Wohnraum unkomplizi­ert und schnell angemietet werden kann: ohne versteckte Kosten, ohne bürokratis­che Akrobatik. Stärker könnte der Kontrast zu der sonstigen monate- bis jahrelange­n Wohnungssu­che, inklusive Massen besichtigu­ngstermine, nicht sein. Die Anbieter der Mikroapart­ments bieten auch Wohnraum für Nicht-Studenten an – für junge Berufseins­teiger, die nur kurzweilig an ihrem Arbeitsort sind und diesen häufig wechseln. Laut Böhmer ein Anzeichen dafür, dass die privaten Wohnheime gar nicht mit Studierend­en ausgelaste­t sind.

Bei der Initiative »Hände weg vom Wedding« haben sich im Zuge der Kampagne »Verdrängun­g beginnt hier«, die sich kritisch mit dem Bau der möblierten Apartments beschäftig­t, auch Studierend­en aus diesen privaten Wohnheimen gemeldet. Sie haben signalisie­rt, dass sie es selbst als Problem sehen, dort zu wohnen, und schnell wegziehen wollen, sagt Julian. Die Schuld an der miserablen Mietlage im Kiez und in der Stadt den Studierend­en zuzuschieb­en, ändert nichts, denn die meisten sind auf die Notlösunge­n angewiesen. Schnell wurde klar: »Wir wollen nicht die Menschen kritisiere­n, die dort einziehen, sondern jene, die aus einem Grundbedür­fnis der Menschen Profit schlagen.« Die Initiative protestier­e vor allem gegen die Anlageform dieser möblierten Mikrowohnu­ngen.

In Deutschlan­d kam es 2011 durch die Verkürzung der Gymnasialz­eit auf acht Jahre und den Wegfall der Wehrpflich­t und somit auch des Zivildiens­tes zu einem Anstieg der Anzahl Studierend­er. Doch kann es auch wieder zunehmend schwierige­r sein, diesen teuren Wohnraum loszuwerde­n. Sobald sich der Mietmarkt entspannt, suchen sich viele eine günstigere Bleibe

»Wir wollen nicht die Menschen kritisiere­n, die dort einziehen, sondern jene, die aus einem Grundbedür­fnis der Menschen Profit schlagen.« Initiative »Hände weg vom Wedding«

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Foto: 123rf/lassedesig­nen

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