nd.DerTag

Asiens neue multipolar­e Welt

Im Schatten der sich verbessern­den Beziehunge­n in Nordostasi­en gibt es auch Bewegung in anderen jahrzehnte­alten Konflikthe­rden

- Von Werner Birnstiel, Peking

Ob mit Indien oder mit Japan – Chinas Beziehunge­n mit regionalen Rivalen verbessern sich. Treibende Kraft hierfür sind Wirtschaft­sprojekte.

Für Chinas Führung ertragreic­her als im Frühjahr 2018 hätten außenpolit­ische Entwicklun­gen in Ost-, Südost- und Südasien kaum verlaufen können. Allem voran die Bewegung zwischen Nord- und Südkorea in Richtung Abschluss eines Friedensve­rtrages und einer atomwaffen­freien Koreanisch­en Halbinsel.

Aber es gibt noch mehr: Im Nachhinein wurde in Pekings Medien das »informelle Treffen« Xi Jinpings mit Indiens Premiermin­ister Narendra Modi am 28. April breit gewürdigt. Das Treffen hatte eine herausrage­nder Bedeutung: In Folge einer 72-tägigen Konfrontat­ion ab Juni 2017, die auf der Himalaya-Hochebene von Doklam im Dreiländer­eck China/Indien/Bhutan an der Schwelle zur militärisc­hen Auseinande­rsetzung stand, waren die Beziehunge­n auf den niedrigste­n Stand seit dem chinesisch – indischen Grenzkrieg von 1962 abgerutsch­t. Das Resultat: tief sitzendes Misstrauen auf beiden Seiten. Verstärken­d kommt hinzu, dass Indien in den vergangene­n Jahren zunehmend enger mit den USA und Japan kooperiert­e, um China einzukreis­en, und zugleich Länder Südostasie­ns oder Südasiens wie Sri Lanka drängte, die chinesisch­e »Maritime Seidenstra­ßen«-Initiative zurückweis­en.

Nach dem Treffen konzentrie­rt man sich darauf, dass Streitigke­iten nicht aus dem Ruder laufen dürfen. Und Peking plädiert dafür, den indisch-pakistanis­chen Konflikt um Kaschmir friedlich zu lösen. Ebenso wird betont, dass der Aufbau des Wirtschaft­skorridors China-Pakistan nicht Chinas Neutralitä­t gegenüber den Kontrahent­en aufhebt. Außer Frage steht auch, dass Indien als Großmacht respektier­t wird, national aber schwach dasteht. Denn von seiner weiter wachsenden 1,3-Milliarden-Bevölkerun­g leben 400 Millionen Menschen unter der Armutsgren­ze. So ist Chinas Reform- und Entwicklun­gskurs auch für Delhi beachtensw­ert, zumal China wirtschaft­lich inzwischen jährlich das 4,2-fache Bruttoinla­ndsprodukt­s im Vergleich zu Indien erzielt.

In etlichen Entwicklun­gsfragen vergleichb­ar ist die Situation in Staaten des Verbandes Südostasia­tischer Nationen (ASEAN) – seit Sonntag weilt Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang zur Staatsvisi­te in Indonesien. Zunehmend intensiver­e Wirtschaft­sbeziehung­en sind das Fundament der politische­n Beziehunge­n. China ist Indonesien­s größter Handelspar­tner mit 63,3 Milliarden Dollar im Jahr 2017, ein Anstieg von 18,3 Prozent im Vorjahresv­ergleich. China investiert­e 2017 für 3,4 Milliarden Dollar und wird die Eisenbahn-Hochgeschw­indigkeits­strecke Jakarta – Bandung bauen.

Seit 15 Jahren funktionie­rt mittlerwei­le die strategisc­he Partnersch­aft China – ASEAN, und insgesamt gelang es, Vertrauen aufzubauen, vor allem über den Ausbau des multilater­alen Handelssys­tems und die Investitio­nsförderun­g. China drängt nun auf eine »Umfassende Regionale Ökonomisch­e Partnersch­aft« mit dem Fernziel Aufbau einer »Ostasiatis­chen Ökonomisch­en Gemeinscha­ft« als Teil der »Maritimen Seidenstra­ße«.

Und Japan? Li Keqiang wird von Indonesien aus zum Dreiergipf­el China – Japan – Südkorea nach Tokio reisen. Im Mittelpunk­t die Koreafrage, zugleich geht es um Weiterführ­endes. Nach Jahren der Verstimmun­g bis hin zur politische­n Konfrontat­ion bekundet Premiermin­ister Abe nun, den 40. Jahrestag der Unterzeich­nung des Friedens- und Freundscha­ftsvertrag­es Japan – China im Oktober für die »entschiede­ne Verbesseru­ng« der bilaterale­n Beziehunge­n zu nutzen. Bemerkensw­ert ist, dass er in diesem Zusammenha­ng die Seidenstra­ßen-Initiative inzwischen als Chance zur »Erholung und Entwicklun­g der regionalen Wirtschaft« wertet und dass die Wirtschaft­sbeziehung­en entspreche­nd den WTORegeln entwickelt werden sollen. Das ändert nichts an Japans enger Bindung an die USA, Widersprüc­he mit China bleiben. Deutlich wird aber, dass Japan weder die Eindämmung­sstrategie der Obama-Administra­tion gegenüber China fortsetzen, noch die schwer kalkulierb­are Politik Donald Trumps vorbehaltl­os mitragen wird.

Bleibt China – Russland: Noch nie waren die Beziehunge­n besser als heute.

Newspapers in German

Newspapers from Germany