nd.DerTag

Geheimdien­stkrimi im Hochsicher­heitstrakt

In Berlin steht ein mutmaßlich Entführer des vietnamesi­schen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh vor Gericht

- Von Marina Mai

Die Entführung eines Vietnamese­n von Berlin nach Vietnam hat für viel Aufsehen gesorgt. In dem Fall sind noch viele Fragen offen. Der Saal 145 des Berliner Kammergeri­chtes ist ein Hochsicher­heitstrakt. Wer hinein möchte, muss die Taschen abgeben, den Gürtel abbinden. Selbst Armbanduhr­en sind nicht erlaubt. Körper und Schuhe werden auf gefährlich­e Gegenständ­e abgescannt. Journalist­en dürfen nicht einmal einen Kugelschre­iber mit hineinnehm­en. Nur Bleistifte sind erlaubt.

Im Saal 145 wird seit Ende April einem 46-jährigen Vietnamese­n der Prozess gemacht, der zum Entführung­skommando für den vietnamesi­schen Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh gehört haben soll. Trinh Xuan Thanh war nach Überzeugun­g der Bundesanwa­ltschaft im Juli 2017 aus Berlin nach Hanoi entführt worden. Verantwort­lich dafür soll der vietnamesi­sche Geheimdien­st sein. Der Entführte war elf Monate zuvor nach Deutschlan­d geflüchtet, weil er sich als Opfer eines Machtkampf­es innerhalb der Kommunisti­schen Partei Vi- etnams sah. Vietnam wiederum wirft ihm Misswirtsc­haft in Größenordn­ungen vor und hat ihn im Januar zweimal zu lebenslang­er Haft verurteilt. Die Entführung bestreitet Vietnam bis heute.

Long H. N., der Angeklagte, hat bis zu seiner Festnahme in Prag gelebt. Ihm wird vorgeworfe­n, die Entführung­sautos besorgt und eines davon von Prag nach Berlin gefahren zu haben. Er soll in Berlin der Kofferträg­er des stellvertr­etenden Geheimdien­stchefs von Vietnam, Duong Minh Hung, gewesen sein, der eigens aus Hanoi anreiste und nach Überzeugun­g der Ermittler von einem Berliner Hotelzimme­r aus die Entführung leitete. Auch ihn will die Bundesanwa­ltschaft vor Gericht bringen. Jeder Zeuge wird gefragt, ob er mit dem Zweisterne­general verwandt oder verschwäge­rt ist. Duong Minh Hung lebt allerdings in Vietnam und wird natürlich nicht ausgeliefe­rt. Seit sein Name in deutschen Zeitungen steht, ist er jedoch aus vietnamesi­schen Medien verschwund­en. Ins Ausland kann er nicht mehr reisen, ohne eine Festnahme zu riskieren.

Thanhs Ehefrau ist eine der besonders gefährdete­n Zeuginnen, de- retwegen im Gericht die höchste Sicherheit­sstufe herrscht. Sie wird durch einen unterirdis­chen Gang in den Gerichtssa­al geleitet, verdeckt ihr Gesicht. Sie sagt aus, dass sie und ihr Mann in Berlin öfter den Wohnort wechselten, aus Angst vor dem vietnamesi­schen Geheimdien­st. Dass sie kaum mit Landsleute­n verkehrten. Dass es immer wieder Warnungen von Verwandten aus Vietnam vor einer Entführung gegeben hätte. Und dass wenige Wochen vor der Entführung plötzlich Männer bei ihnen auftauchte­n, die ihr Mann vom »Cuc 2« vermutete. »Cuc 2« ist der Geheimdien­st der vietnamesi­schen Armee. Entführt wurde er aber vom polizeilic­hen Geheimdien­st Tong Cuc An Ninh.

Eine solche Entführung fürchtet auch Vu Dinh Duy, ein anderer be- sonders gefährdete­r Zeuge. Der Cousin und enger Vertrauter des Entführten hat sich in einen osteuropäi­schen Staat geflüchtet, weil Vietnam auch ihn mit internatio­nalem Haftbefehl sucht. Auch ihm wird Misswirtsc­haft in Größenordn­ungen vorgeworfe­n und auch er sieht das nur als Vorwand an und glaubt, dass er aus politische­n Gründen von Vietnam verfolgt wird.

Für die Ermittler ist noch nicht geklärt, wie Trinh Xuan Thanh aus Europa heraus gebracht wurde. Vorige Woche wurden Vorwürfe laut, das könne mit einer slowakisch­en Regierungs­maschine geschehen sein. Die Slowakei hatte eingeräumt, einer hohen vietnamesi­schen Polizeidel­egation drei Tage nach der Entführung eine solche Maschine geliehen zu haben. An Bord saßen zwölf Personen, darunter zwei mutmaßlich­e Entführer. Die Slowakei sagte aber, dass Trinh Xuan Thanh zumindest nicht mit seinem richtigen Namen an Bord der Maschine saß. Bundeskanz­lerin Merkel forderte von ihrem slowakisch­en Amtskolleg­en Peter Pellegrini umfassende Aufklärung. Der hat ihr das letzte Woche in Berlin zugesagt.

Für die Ermittler ist noch nicht geklärt, wie Trinh Xuan Thanh aus Europa heraus gebracht wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany