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Orbán bleibt von Kritik unbeeindru­ckt

- Von Thomas Roser, Belgrad

Ungarns rechter Dauerpremi­er Orbán ist in seine vierte Amtszeit gestartet. Opposition­sproteste und die Kritik der EU-Partner an seinem autoritäre­n Führungsst­il lassen ihn kalt. Vor den Toren von Ungarns Parlament trugen die Gesetzeshü­ter im Sitzstreik verharrend­e Demonstran­ten vom abgeriegel­ten Platz. Im Sitzungssa­al des hohen Hauses nahm Dauerpremi­er Viktor Orbán bei der konstituie­renden Parlaments­sitzung am Dienstag derweil mit zufriedene­n Lächeln auf der vertrauten Regierungs­bank Platz: Wie nicht anders erwartet hatte Präsident Janos Ader den Chef der nationalpo­pulistisch­en Fidesz-Partei schon am Vortag mit der erneuten Regierungs­bildung beauftragt.

Gestärkt durch den überzeugen­den Fidesz-Sieg bei der Parlaments­wahl im April startet der selbstbewu­sste Apostel einer Politik des nationalen Egoismus in seine vierte Amtszeit. Mit dem Rekorderge­bnis von 49,28 Prozent der Stimmen hat Fidesz sich im Parlament erneut eine Zweidritte­lmehrheit verschafft. Bisher habe er die Regierung nur geführt, nun werde er sie »lenken«, kündigte Orbán vor Antritt seines neuen Mandats an.

In Budapest ist mit der Schaffung eines dem allgewalti­gen Orbán direkt unterstell­ten Regierungs­büros weiter kompromiss­loses Durchregie­ren angesagt. Trotz mancher unerwartet­er Personal-

Bisher habe er die Regierung nur geführt, nun werde er sie »lenken«, kündigte Orbán vor Antritt seines neuen Mandats an.

rochaden wie der Ablösung des einflussre­ichen Janos Lazar als Chef des Ministerpr­äsidentena­mts lässt der umstritten­e EU-Störenfrie­d weder auf dem heimischen noch auf dem internatio­nalen Parkett irgendein Anzeichen einer Kurskorrek­tur erkennen. »Wir werden die ungarische Kultur verteidige­n. Wir werden das Land nicht Fremden übergeben«, wiederholt­e Orbán am Wochenende die bei den Wahlen erfolgreic­he Fidesz-Doktrin.

In Ungarn müssen sich die gegängelte Opposition, Bürgerrech­tsgruppen und die verblieben­en unabhängig­en Medien auf noch repressive­re Zeiten gefasst machen: Journalist­en regierungs­kritischer Medien wurde am Dienstag der Zugang zum Parlament verwehrt. Regierungs­nahe Blätter haben in den letzten Tagen derweil nicht nur eine Liste von 200 heimischen »Söldnern« des amerikanis­chen Milliardär­s George Soros veröffentl­icht, sondern auch eine Liste missliebig­er Auslandsjo­urnalisten – darunter die Korrespond­enten von renommiert­en internatio­nalen Medien wie dpa, »Spiegel Online«, ORF, NZZ oder »Libération«.

Verstärkte­n Druck dürften mit der angekündig­ten Verabschie­dung eines »Stop-Soros«-Gesetzpake­ts vor allem die Bürgerrech­tsgruppen verspüren, die sich für die Rechte der in Ungarn völlig marginalis­ierten Flüchtling­e einsetzen: Künftig benötigen sie eine Zulassung des Innenminis­teriums und müssen 25 Prozent ihrer ausländisc­hen Spenden als Steuern für die Finanzieru­ng der Grenzschut­zanlagen abführen. Gleichzeit­ig droht ihren ausländisc­hen Mitarbeite­rn bei vermeintli­cher »Unterstütz­ung von Migration« die Ausweisung. Für die EU, aber auch für den EVP-Verband der christdemo­kratischen Schwesterp­arteien, wird der streitbare Solist Orbán ein unbequemer Problempar­tner bleiben.

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