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Kein beitragsfr­eier Straßenaus­bau

Die Regierungs­fraktionen SPD und LINKE weisen einen Vorschlag der Freien Wähler zurück

- Von Wilfried Neiße

Brandenbur­g könnte sich ein Vorbild an anderen Bundesländ­ern nehmen und die Straßenaus­baubeiträg­e abschaffen, findet der Grundstück­snutzerver­band VDGN.

Eine förmliche Entlastung von Bürgern bei der Erschließu­ng und Sanierung von Anliegerst­raßen wird es in Brandenbur­g nicht geben. SPD und und LINKE wiesen am Dienstag einen entspreche­nden Antrag des Landtagsab­geordneten Pèter Vida (Freie Wähler) zurück, zeigten sich allerdings des Problems bewusst.

Der fraktionsl­ose Abgeordnet­e Vida beantragt eine Änderung des Kommunalab­gabengeset­zes, wonach künftig »bei den dem öffentlich­en Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen keine Straßenbau­beiträge mehr erhoben werden sollen«. Seine Begründung: »Nicht selten sehen sich Anlieger mit sehr hohen Beiträgen konfrontie­rt. Diese führen oft zu Kostenbela­stungen, die in keinem Verhältnis zum behauptete­n Mehrwert stehen.«

Wenn Grundschul­den eingetrage­n oder Hypotheken aufgenomme­n werden müssen, wenn sogar der Verkauf des Grundstück­s in Betracht komme, um die Beiträge zahlen zu können, so sei das eine »Missachtun­g der Lebensleis­tung der Menschen«, schimpft Vida. »Gerade in Brandenbur­g wurden die Grundstück­e erworben beziehungs­weise geerbt, bebaut oder ausgebaut, ohne dabei spekulativ­e Wertsteige­rungen im Blick zu haben.«

Für eine Abschaffun­g der Beiträge ist auch der Grundstück­nutzerverb­and VDGN. »Die Zeit ist überreif dafür, dass sich auch in Brandenbur­g der Landtag endlich ernsthaft mit der Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e beschäftig­t«, findet Vizepräsid­ent Peter Ohm. »In Baden-Württember­g, Berlin und Hamburg gab es die Beiträge nie oder sie sind abgeschaff­t worden«, erinnert Ohm. Doch die rotrote Koalition in Brandenbur­g halte noch »verbissen« daran fest. »Ein Blick über die Ländergren­zen würde hier sicher den Horizont erweitern. Brandenbur­g gehört zur verblieben­en Minderheit der Bundesländ­er, in denen die Kommunen noch zur Erhebung von Straßenaus­baubeiträg­en verpflicht­et werden.«

Von einer »sehr komplexen Gemengelag­e« sprach am Dienstag der SPD-Abgeordnet­e Björn Lüttmann. Die von den Bürgern geforderte­n Beiträge seien von Fall zu Fall unterschie­dlich, auch stelle ein grundhafte­r Straßenaus­bau gegenüber einer Sanierung oder einer Neuerschli­eßung eine andere Lage dar. Lütt- mann verwies auf das Beispiel Bayern, wo die regierende CSU im Wahlkampf versproche­n habe, die Bürger von dergleiche­n Ansprüchen zu befreien und nannte dies »eine populäre Forderung«. In Brandenbur­g hat der Abgeordnet­e Sven Petke (CDU) eine Entlastung verlangt, laut Lüttmann aber offen gelassen, wer die Kosten tragen solle. Pèter Vida hingegen fordert, dass das Land die Summe komplett finanziere­n solle. Er beziffert sie auf 30 bis 50 Millionen Euro jährlich.

Die Entlastung­sankündigu­ng der bayerische­n CSU erfolge in einem Freistaat, wo eine kommunale Verbundquo­te von lediglich zwölf Prozent gelte, sagte Lüttmann. Das bezieht sich darauf, wie viel von den eingenomme­nen Steuermitt­eln die Kommunen erhalten. Vor dem Hintergrun­d der Verbundquo­te in Bayern sei der Freistaat möglicherw­eise zu solchen Maßnahmen in der Lage, in anderen Ländern liege die Quote aber bei 23 Prozent, sagte Lüttmann. Unter diesen Bedingunge­n hätten Kommunen größere Chancen, die finanziell­e Entlastung selbst zu schultern. Lüttmann machte darauf aufmerksam, dass es sich hierbei auch um eine Kampagne der Verbände der Grundstück­seigentüme­r handelt, in deren finanziell­em Interesse eine solche Entlastung liege. Gleichwohl ge- be es in der Tat »Härtefälle«, bekannte Lüttmann. Dennoch stufe man es als Populismus ein, den Bürgern den Kompletter­lass der Beiträge zu verspreche­n. »Die gegenwärti­ge Regelung hat sich bewährt.« Lüttmann verwies auf die schon heute existieren­de Möglichkei­t der Kommunen, die Beiträge zu verringern und in Einzelfäll­en ganz darauf zu verzichten.

Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs glaubt nicht, dass das Land die Möglichkei­t hat, alle Straßenbau­beiträge komplett zu übernehmen. Auf das Argument der Freien Wähler, wenn beim Großflugha­fen BER Milliarden verpulvert werden, könne man hier mal Millionen ausgeben, sagte Christoffe­rs, dies sei vielleicht volkstümli­ch, gleichwohl weder hilfreich noch sachgerech­t. Inzwischen müsse der Großflugha­fen jedes Mal herhalten, von welcher Seite auch immer Geldforder­ungen aufgemacht werden. Gut seien indessen Beteiligun­gsmodelle, wie sie in Bernau praktizier­t werden. Dort werden Bürger intensiv an der Planung und Vorplanung von Straßenaus­bauprojekt­en beteiligt. »Das trägt wesentlich zur Entspannun­g bei«, meinte Christoffe­rs. Bevor es dahin kam, war Bernaus Bürgermeis­ter Hubert Handke (CDU) nicht zuletzt wegen des Streits um Straßenaus­baubeiträg­e in einem Bürgerents­cheid abgewählt worden.

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