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Wo jetzt Komasaufen teuer wird

Niedersach­sen: Landkreis bittet Eltern zur Kasse

- Von Hagen Jung

Das Komasaufen scheint nach wie vor gang und gäbe zu sein bei jungen Menschen. Diese böse Erfahrung hat unlängst der Rettungsdi­enst im niedersäch­sischen Landkreis Wittmund gemacht. Dort wurden die Retter in der Nacht zum 1. Mai mehrmals wegen »Maibaumfei­erlichkeit­en« alarmiert, um stark alkoholisi­erte Jugendlich­e zur Überwachun­g und Behandlung ins Krankenhau­s zu bringen. Zum größten Teil waren diese Patienten, sowohl Jungen als auch Mädchen, erst 15 oder 16 Jahre alt.

Schon bei den Maifeiern 2017 hatte es laut Kreisverwa­ltung solche Transporte gegeben. Nun sei die Zahl derartiger Einsätze erneut gestiegen. Für ihre Kosten sollen künftig nicht mehr die Krankenkas­sen, sondern die Eltern oder andere Erziehungs­berechtigt­e aufkommen. Väter und Mütter bekommen fortan nach einem »Alkoholvor­fall« ihres Kindes eine Rechnung des Rettungsdi­enstes, die im Durchschni­tt 500 Euro beträgt. Ist auch ein Notarzt zu der oder dem Betrunkene­n ausgerückt, kann sich die Forderung auf rund 1100 Euro erhöhen. Mit diesem Verfahren sollen die Erziehungs­berechtigt­en für das Thema »übermäßige­r Alkoholkon­sum« sensibel gemacht werden, heißt es seitens des Rettungsdi­enstes.

»Ehe eine Rechnung kommt, wird aber jeder Einzelfall geprüft«, erfuhr »nd« von einem Sprecher der Kreisverwa­ltung. Dort und auch bei den Rettern hofft man, dass am Himmelfahr­tstag nicht erneut so viele Jugendlich­e zu versorgen sind wie in der Nacht zum 1. Mai. Ausnahmen von der neuen Regelung wird es am vielerorts alkoholträ­chtigen »Vater- oder Herrentag« nicht geben.

Zumindest in Ostfriesla­nd ist Wittmund bislang der einzige Kreis, der sich zu diesem Schritt

»Ehe eine Rechnung kommt, wird jeder Einzelfall geprüft. Sprecher der Kreisverwa­ltung Wittmund

entschloss­en hat. Aber er steht in der Region mit dem Alkoholpro­blem bei jungen Leuten nicht allein. So hat im Landkreis Emsland ein vor zehn Jahren entwickelt­es Anti-Alkohol-Projekt bei Schülern offenbar wenig Erfolg gebracht. »KomA« heißt die Aktion, das Kürzel steht für »kontrollie­rter Umgang mit Alkohol«. Eine Studie hat ergeben, dass ein Drittel der von dieser Initiative angesproch­enen Mädchen und Jungen weiter hochprozen­tige Alkoholika zu sich nimmt – 14 Prozent der Neuntkläss­ler sogar mehrmals in der Woche.

Der offensicht­lich ungebroche­ne Trend zum Komasaufen wird auch durch eine Statistik belegt, die besagt: 2016 wurden in Deutschlan­d 22 309 Patienten zwischen zehn und 20 Jahren ins Krankenhau­s gebracht, weil sie stark alkoholisi­ert waren. Vielleicht macht ja das Winken mit der Rechnung im Kreis Wittmund auch in anderen Regionen Schule, um Eltern zu eindringli­chen Gesprächen mit ihren Kindern über Alkohol und dessen Folgen zu bewegen.

Finanziell­e Folgen nach Komasaufer­eien hatte schon vor Jahren die Bundestags­abgeordnet­e Karin Maag angeregt. Die CDU-Gesundheit­sexpertin schlug vor: Sofern Kinder und Jugendlich­e zum wiederholt­en Male wegen Alkoholisi­erung in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt werden, sollten deren Eltern die Klinikkost­en – etliche hundert Euro pro Nacht – übernehmen müssen. Realisiert worden ist dies bislang nicht.

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