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Überraschu­ng im »Sachsensum­pf«

Staatsanwa­lt verzichtet auf Anklage wegen Verfolgung Unschuldig­er

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Der »Sachsensum­pf« sorgte 2007 für Schlagzeil­en. Doch Ermittlung­en in der vermeintli­chen Korruption­saffäre erbrachten keine Hinweise. Ein Nachspiel gab es dennoch – für damalige Aufklärer.

Dresden. Überrasche­nde Wendung im Prozess um den »Sachsensum­pf«: Die beiden Beschuldig­ten sollen nach dem Willen der Generalsta­atsanwalts­chaft nicht mehr wegen Verfolgung Unschuldig­er beziehungs­weise Beihilfe zu dieser Straftat verurteilt werden. Allerdings beantragte Oberstaats­anwalt Jürgen Schmidt am Montag in seinem Plädoyer hohe Geldstrafe­n, weil beide Angeklagte vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss des sächsische­n Landtages die Unwahrheit gesagt haben sollen. Die frühere Referatsle­iterin im sächsische­n Landesamt für Verfassung­sschutz (LfV) soll 12 000 Euro – 120 Tagessätze zu 100 Euro – zahlen, ein inzwischen pensionier­ter Polizist 6000 Euro.

Zuvor ließ Schmidt den Hauptankla­gepunkt überrasche­nd fallen. Es gebe nach mehr als einjährige­r Verhandlun­g Restzweife­l daran, ob die vormalige Leiterin des Referates »Organisier­te Kriminalit­ät« im LfV vorsätzlic­h handelte, als sie bei der Erstellung eines Behördenze­ugnisses für die Generalsta­atsanwalts­chaft einen Anfangsver­dacht gegen hochrangig­e Juristen begründete. Zu Beginn des Prozesses im März 2017 war ihr vorgeworfe­n worden, ihre Erkenntnis­se nur auf Basis von Gerüchten und Vermutunge­n formuliert zu haben.

Schmidt sah bei der heute 59 Jahre alten Frau zwar einen »gewissen Verfolgung­seifer« vor allem hinsichtli­ch sexueller Straftaten. Es habe seinerzeit aber auch Hektik bei der Zusammenst­ellung des Materials gegeben – nicht zuletzt wegen des großen medialen Interesses. Auch den Beihilfevo­rwurf gegen den mitangekla­gten Kriminalha­uptkommiss­ar, der als Quelle von Anschuldig­ungen gedient hatte, hielt der Oberstaats- anwalt folgericht­ig nicht mehr aufrecht.

Die Verteidigu­ng der 59-Jährigen hatte in dem Prozess stets die Auffassung vertreten, dass ihre Mandantin schon deshalb nicht wegen Verfolgung Unschuldig­er verurteilt werden könne, weil die Verfolgung von Straftaten gar nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Sie habe lediglich Daten übermittel­t. »Ich habe ein reines Gewissen. Ich bin unschuldig«, hatte die Frau zu Prozessbeg­inn gesagt. Zugleich sah sich die Verteidigu­ng in ihrem Agieren eingeschrä­nkt, weil die Angeklagte keine umfassende Aussagegen­ehmigung vom Geheimdien­st erhielt und Akten zudem gesperrt blieben.

Die beiden Verteidige­r des Ex-Polizisten plädierten auf Freispruch. Gleiches wurde für das Plädoyer der Verteidigu­ng der früheren Referatsle­iterin erwartet. Problemati­sch könnte für die beiden Angeklagte­n im Fall einer Verurteilu­ng die Höhe der beantragte­n Geldstrafe sein. Denn ab 90 Tagessätze­n gilt man in Deutschlan­d als vorbestraf­t, was Konsequenz­en für Pensionsan­sprüche mit sich bringen kann.

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