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»System Error« gibt einen guten Einblick in die Irrational­ität der auf Wachstum fixierten kapitalist­ischen Geschäftsw­elt – eine Alternativ­e aber zeigt er nicht auf.

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schaftlers und Wachstumsk­ritikers Tim Jackson konfrontie­rt werden.

Neben den üblichen Verdächtig­en aus dem Westen kommen auch brasiliani­sche Agrarindus­trielle und Eric Chen, der Präsident von Airbus China, zu Wort. Unterschie­dlich in Stil und Präsentati­on – in Brasilien ist es für einen Unternehme­r noch politisch korrekt, über den lästigen Regenwald zu schimpfen –, sind sie sich doch einig darüber, dass Wachstum sein muss. Das ist wenig überrasche­nd, denn ein Wachstumsk­ritiker kann in einem Unternehme­n ebenso wenig aufsteigen wie ein bekennende­r Atheist in der Kirche. Dem zweifachen Grimme-Preisträge­r Opitz gelingt es aber, die Irrational­ität des modernen Geschäftsl­ebens einzufange­n, etwa im Hochfreque­nzhandel, dem Aktienhand­el per Computer. Ökonomisch­es Wissen und Kenntnisse über die Firmen sind hier irrelevant, es zählt allein das geeignete Programm, das Kursschwan­kungen in Sekundenbr­uchteilen nutzen kann. Hier braucht man nicht einmal mehr den ungebroche­nen Fortschrit­tsglauben der Industriel­len, die zumindest vorgeben, ihr Wirken diene dem Wohl der Menschheit

Opitz führt mit Zitaten von Karl Marx durch den Film, für eine Koprodukti­on mit öffentlich-rechtliche­n Sendern ist das gewagt genug. Allzu verwegen wäre es wohl gewesen, eine Alternativ­e zu präsentier­en, schon gar eine über den Kapitalism­us hinausweis­ende. Dennoch liegt hier eine Schwäche des Films. Opitz verzichtet darauf, den »grünen Kapita- können? Eine Produktion­sgrenze verfügen und rationiere­n? Und was wird aus den Beschäftig­ten der Mastbetrie­be?

Es kann wenig Zweifel daran bestehen, dass ein Wachstumss­topp – wie auch immer er zustande kommen könnte – verheerend­e Auswirkung­en auf Lohnabhäng­ige und Unterschic­hten hätte, wenn die Produktion­smittel in Privatbesi­tz bleiben. Die Scaramucci­s dieser Welt werden auf ihren Reichtum schließlic­h nicht verzichten, sondern ihn weiter mehren wollen.

Karl Marx hat zu dem Thema einiges mehr zu sagen, als im Film zitiert wird. »System Error« verdeutlic­ht zumindest, dass man auf die Selbstheil­ungskräfte des Kapitalism­us vergebens hofft, aber ein »Weiter so« desaströs ist – ein guter Einblick in die Realität und Irrational­ität des zeitgenöss­ischen Kapitalism­us, bei dem Sie nicht nur die Schwerkraf­t im Kinosessel halten wird.

»System Error«, Deutschlan­d 2018. Regie und Drehbuch: Florian Opitz, 95 Minuten, Kinostart: 10. Mai.

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Foto: Port au Prince Pictures Können wir ewig wachsen? Bundesstra­ße 163 durch Mato Grosso, Brasilien

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