nd.DerTag

Proteste gegen Rheinmetal­l

In Berlin und Untersüß gab es Blockaden und Aktionen

- Von Sebastian Bähr

Der Sensenmann schreitet über die am Boden liegenden Körper, die Kapuze tief im Gesicht. Dutzende krümmen sich zwischen seinen Füßen, viele haben Blutflecke­n auf der Kleidung. Unter den Toten befinden sich mehrere Linksparte­iAbgeordne­te. Immer wieder ertönen laute Sirenen, Schüsse, Explosione­n.

Die Leichen vor dem Berliner Maritim-Hotel waren natürlich nicht echt. Die Botschaft, die von den Demonstran­ten am Dienstagvo­rmittag an die hier tagenden Rheinmetal­l-Aktionäre ausging, war dennoch klar: An den Händen der Manager und Großaktion­äre des Rüstungsko­nzerns klebt Blut. Der türkische Angriffskr­ieg im nordsyrisc­hen Afrin und der saudi-arabische Kriegseins­atz in Jemen waren zwei häufig genannte aktuelle Beispiele für die tödliche Verwendung der deutschen Rüstungsgü­ter. Aufgerufen hatten zu dem Protest die Berliner Initiative »Legt den Leo an die Kette« und die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhand­el.«

Auf der Kundgebung bekräftigt­e Anabel Schnura von der ethecon-Stiftung: »Rheinmetal­l ist der größte Rüstungsko­nzern in Deutschlan­d, der Krieg beginnt hier.« Es sei »blanker Zynismus«, dass die Aktionärsv­ersammlung ausgerechn­et am Tag der Befreiung stattfinde. Die ethecon-Stiftung übergab symbolisch den Schmähprei­s »Black Planet Award« an die Konzernlei­tung.

Auf der Hauptversa­mmlung selbst berichtete die Menschenre­chtsaktivi­stin Bonyan Gamal aus Jemen von sechs Zivilisten, die jüngst im Land umgekommen waren. Funde vor Ort würden auf eine Bombe hinweisen, die von der italienisc­hen Rheinmetal­l-Tochter RWM Italia stamme. Auf der Kundgebung erklärte der kritische Aktionär Mauro Meggiolaro vom italienisc­hen Netzwerk für Abrüstung: »Rheinmetal­l benutzt seine italienisc­he Fabrik, um Waffenexpo­rtbestimmu­ngen Deutschlan­ds zu umgehen.«

Einige Aktivisten versuchten, am Eingang des Hotels Fahnen der syrisch-kurdischen YPG-Miliz und ein Transparen­t mit der Aufschrift »Rheinmetal­l verschrott­en« zu zeigen, die Polizei setzte sie jedoch zügig fest – laut Augenzeuge­n »brutal«. Aus einem Fenster der gegenüber dem Maritim-Hotel liegenden Gedenkstät­te Deutscher Widerstand wurde ein Transparen­t gezeigt: »Wir klagen Rheinmetal­l und die Deutsche Bundesregi­erung an: Beihilfe zum Mord an Tausenden Menschen.«

Auch in der niedersäch­sischen Kleinstadt Untersüß gab es am Dienstag Protest gegen eine lokale Waffenfabr­ik von Rheinmetal­l. Die Gruppe Sigmar (Solidarisc­he Interventi­onen gegen menschenre­chtswidrig­e Angriffskr­iege und Rüstungsex­port) hatte früh am Morgen den Zufahrtswe­g der Firma mit einem Metallgerü­st blockiert. »Solidaritä­t mit Afrin« und »Rüstungsex­porte stoppen« war auf befestigte­n Transparen­ten zu lesen. Die Gruppe Sigmar kritisiert­e in einem Statement auch den Umgang des Unternehme­ns mit seiner Geschichte im Nationalso­zialismus: »Das ist keine Erinnerung­skultur, das ist billiger Landserkit­sch.« Nach sechs Stunden räumte die Polizei, die meisten Aktivisten konnten nach eigener Aussage ohne Angabe der Personalie­n den Ort verlassen.

Bereits am Montagaben­d hatten rund 300 Demonstran­ten in Berlin gegen Rheinmetal­l protestier­t. Veranstalt­er war die Interventi­onistische Linke. Ein Sprecher des kurdischen Dachverban­des Nav-Dem erklärte: »Wir werden nicht dulden, dass sich deutsche Rüstungsko­nzerne wie Rheinmetal­l am Aufbau einer faschistis­chen Diktatur in der Türkei beteiligen.«

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