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Wenn das Original-Testament verschwund­en ist ...

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Das Original-Testament ist aus unerfindli­chen Gründen verschwund­en. Kann der Enkel den Anspruch auf das Erbe der Großmutter mit einer Kopie des Testaments durchsetze­n? Mit diesem Fall beschäftig­te sich das Gericht.

Als die Witwe P. im April 2015 gestorben war, meldeten zwei Parteien Anspruch auf das Vermögen an. Ein gemeinnütz­iger Verein legte beim Nachlassge­richt ein gemeinscha­ftliches Testament vor, das vom Ehepaar P. im Februar 1995 verfasst worden war. Die Ehegatten hatten sich gegenseiti­g als Alleinerbe­n eingesetzt und festgelegt, dass nach dem Tod des überlebend­en Partners der gemeinnütz­ige Verein Alleinerbe werden sollte.

Der Enkel von Frau P. stützte seinen Anspruch auf die Kopie eines Testaments vom April 2011: Darin bestimmte ihn die Großmutter zum Alleinerbe­n und widerrief die Erbeinsetz­ung des gemeinnütz­igen Vereins. 2011 hatte ihr Ehemann noch gelebt und das Testament mit unterschri­eben. Daher stehe ihm das Vermögen zu, meinte der Enkel. Der Haken an der Sache war allerdings, dass das Original des Testaments verschwund­en war.

Das Amtsgerich­t Bonn wies den Antrag des Enkels auf einen Erbschein als Alleinerbe zurück. Wenn ein Testament unauffindb­ar sei, müsse man davon ausgehen, dass es die Erb- lasserin vernichtet habe, weil es nicht mehr gelten sollte.

Dem widersprac­h das Oberlandes­gericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 2. Dezember 2016 (Az. 2 Wx 550/16). Die Annahme des Amtsgerich­ts, ein verschwund­enes Testament sei als widerrufen anzusehen, treffe nicht zu. Ein unauffindb­ares Testament sei nicht automatisc­h ungültig, betonte das OLG.

Die Erblasseri­n könne es unbeabsich­tigt verlegt oder entsorgt haben. Es komme häufig vor, dass Testamente oder Ko- pien nach dem Tod einer Person trotz sorgfältig­er Suche zunächst nicht zum Vorschein kämen.

Später würden sie dann zufällig an Orten gefunden, an denen niemand mit einem Testament oder einer Kopie davon rechne. Daher genüge hier die Kopie des Testaments, um dem Enkel den beantragte­n Erbschein zu erteilen.

Vorausgese­tzt, das Testament sei wirklich im Original von der Erblasseri­n und ihrem Ehemann unterschri­eben, also »formwirksa­m« errichtet worden. Dieser Punkt sei vom Amtsgerich­t zu prüfen und mit Hilfe eines Schriftgut­achters zu klären. OnlineUrte­ile.de

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Foto: imago/Westend61 Auch eine Kopie des Testaments ist rechtskräf­tig – vorausgese­tzt, dass das Testament im Original vom Erblasser formwirksa­m errichtet worden war.

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