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Razzien in Wohnungen und Bibliothek

- Von Nicolas Šustr

Am Mittwochmo­rgen hat die Polizei vier Wohnungen und eine Bibliothek in der Stadt durchsucht. Anlass soll ein satirische­s Plakat zum G20-Gipfel sein.

Kurz vor Beginn der autonomen Chaos- und Diskussion­stage hat die Polizei Mittwoch in aller Frühe drei Privatwohn­ungen in Neukölln und Tempelhof sowie die anarchisti­sche Bibliothek »Karabal!k« und eine Wohnung in der Reichenber­ger Straße in Kreuzberg durchsucht. Um 5.15 Uhr seien die Beamten mit »einem beachtlich­en Aufgebot« dort erschienen und hätten sich mit einer Flex Zugang verschafft, heißt es in einer Erklärung auf dem Blog der Bibliothek.

Anlass seien laut einer gemeinsame­n Mitteilung von Polizei und Staatsanwa­ltschaft »Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Berlin wegen Verleumdun­g« unter anderem gegen zwei Beschuldig­te im Alter von 24 und 27 Jahren. Bei den Durchsuchu­ngen seien zahlreiche Datenträge­r beschlagna­hmt worden. Die Beschuldig­ten seien verdächtig, im Dezember 2017 nachgeahmt­e Fahndungsp­lakate auf eine Fenstersch­eibe geklebt zu haben. Abgebildet waren der damalige Hamburger Erste Bürgermeis­ter und jetzige Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, der dortige Innensenat­or Andy Grote (beide SPD) sowie Hartmut Dudde, Gesamteins­atzleiter des äußerst umstritten­en Polizeiein­satzes anläss-

»Eigentlich muss im Durchsuchu­ngsbeschlu­ss stehen, warum davon ausgegange­n wird, dass in dem Laden Beweismitt­el zu sichern wären.« Martin Henselmann, Anwalt

lich des G20-Gipfels in der Hansestadt im Juli 2017. Diese seien im Zusammenha­ng mit der Aufklärung der Krawalle dringend der »Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g zum Zweck des versuchten Totschlags, schwerer Körperverl­etzung, Misshandlu­ng und Menschenra­ub« verdächtig, hieß es auf dem Plakat. Dieses war eine Erwiderung der linksradik­alen Szene auf entspreche­nde Fahndungsp­lakate der Polizei.

Laut Martin Henselmann, Anwalt von »Karabal!k«, war die Aktion im Durchsuchu­ngsbeschlu­ss mit einem Verstoß gegen das Kunsturheb­ergesetz begründet. Gefehlt hätten auch essenziell­e Angaben in dem vorgelegte­n Beschluss. »Eigentlich muss in einem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss stehen, warum davon ausgegange­n wird, dass in dem Laden Beweismitt­el zu sichern wären«, erklärt Henselmann. Außerdem fehlte laut dem Rechtsbeis­tand die Angabe, welche Art Beweismitt­el genau gefunden werden sollen. »Vom Gesetzgebe­r bis zum Bundesverf­assungsger­icht wurde bereits festgelegt, dass diese Punkte in einem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss bezeichnet sein müssen«, sagt Henselmann. Leider habe er schon oft erleben müssen, dass Gerichte mit den Vorgaben nicht so penibel umgingen. Tatsächlic­h sei laut dem Durchsuchu­ngsbeschlu­ss nicht einmal klar geworden, um welches Plakat es sich genau handelt, mit dem der Einsatz begründet wurde.

Hakan Taş, Innenexper­te der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, will die Vorgänge im Innenaussc­huss am Montag besprechen.

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