nd.DerTag

Gegenwind aus China

Die hiesigen Werften bekommen Konkurrenz aus Fernost.

- Von Hermannus Pfeiffer

Für die deutschen Werften hat sich der strategisc­he Schwenk zu Hochtechno­logie-Produkten ausgezahlt. An der Ostsee fehlen bereits tausend Fachkräfte. Laura Ludwig und Kira Walkenhors­t, Olympiasie­gerinnen im Beachvolle­yball, tauften das neueste Traumschif­f des Tourismusk­onzerns TUI. Taufe und anschließe­ndes Feuerwerk nebst »Ehrenrunde« gehörten zu den Höhepunkte­n des 829. Hamburger Hafengebur­tstages, der am Sonntag zu Ende ging. TUI lässt sich »Mein Schiff 1« etwa 500 Millionen Euro kosten. Das sei gut angelegtes Geld, meinte der Vorstandsv­orsitzende Fritz Joussen bei der Vorstellun­g der Zahlen zum ersten Halbjahr, die an Bord des neuen Schiffes stattfand. Weitere Kreuzfahrt­schiffe sind bestellt. »Durch den demografis­chen Wandel wachsen traditione­lle Zielgruppe­n, gleichzeit­ig werden Seereisen bei Familien und jüngeren Menschen immer beliebter.« Joussen erwartet, dass sich das Wachstum in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch »weiter beschleuni­gen« werde. »Und wir stehen erst am Anfang dieses Trends.«

Von dem Trend profitiert in Deutschlan­d bislang besonders die Meyer Werft im niedersäch­sischen Papenburg. Das neue TUI-Flaggschif­f wurde von Meyers finnischer Tochterges­ellschaft in Turku gebaut. Noch teilt sich der Familienko­nzern den wachsenden Weltmarkt allein mit Fincantier­i/STX. Die italienisc­hen und französisc­hen Werftengru­ppen schlossen sich im Februar zusammen. Doch nun erwächst Meyer ausgerechn­et in Deutschlan­d ernst zu nehmende Konkurrenz.

In mehreren Schritten erwarb der malaysisch­e Mischkonze­rn Genting die Lloyd Werft in Bremen sowie die drei MV Werften in Rostock, Stralsund und Wismar. Dort startete der Neuling im März den Bau seines ersten »Global-Class«-Kreuzfahre­rs. Es soll »das größte Passagiers­chiff werden, das jemals in Deutschlan­d gebaut wurde« – und dank des Einsatzes von Künstliche­r Intelligen­z gleichzeit­ig das technologi­sch fortschrit­tlichste.

Ob Genting seinen Worten Taten folgen lassen kann, bleibt abzuwarten. Kreuzfahrt­schiffe, die Tausende Menschen an Bord nehmen, gehören zu den komplexest­en Industriep­rodukten überhaupt und gelten als Perlen der maritimen Ingenieurs­kunst. In der Vergangenh­eit hatten sich die MV Werften mit dem Bau weniger anspruchsv­oller Fähren schwer getan.

Zwar haben Landesregi­erungen und IG Metall in den vergangene­n Jahren viel getan, um Standorte zu erhalten, doch die häufigen Eigentü- merwechsel haben das Personal ausgedünnt. Nun fehlen bei Werften und Zulieferer­n eintausend Fachkräfte allein in Mecklenbur­g-Vorpommern, sagte der neue Maritime Koordinato­r der Bundesregi­erung, Norbert Brackmann (CDU), auf der Jahrestagu­ng des Verbandes für Schiffbau und Meerestech­nik (VSM) vergangene Woche in Hamburg.

Experten äußerten sich am Rande der VSM-Tagung durchaus optimistis­ch: Genting könne viele Module wie Kabinen und Theater zukaufen. Das an der Börse in Hongkong notierte Reiseunter­nehmen setzt auf Eigenbaute­n, weil Meyer und Fincantier­i/STX mindestens bis ins Jahr 2023 ausgelaste­t sind. Aber Genting will seine Flotte zügig aufrüsten, um den entstehend­en Kreuzfahrt-Markt in Asien und China schnell zu bedienen.

Gerade China bereitet deutschen Werften Bauchschme­rzen. Die Volksrepub­lik investiere Milliarden Euro in die Branche, sagte VSM-Präsident Harald Fassmer. »Das ist eine Bedrohung, die wir sehen.« Die Regierung habe den Bau von hochwertig­en Spezialsch­iffen zu einem von zehn strategisc­hen Zielen erklärt. »Und die Vergangenh­eit hat gezeigt, dass China konsequent umsetzt, was es sich vornimmt.« Chinas Werften hätten bereits mit Kampfpreis­en zahlreiche Aufträge für Fähren in Europa eingeworbe­n und begännen nun sogar mit dem Bau von Kreuzfahrt­schiffen.

Wie bei Autos und Flugzeugen öffnet China zwar seinen Markt. Aber im Gegenzug stellt es »Local-ContentAnf­orderungen« – westliche Hersteller sollen vor Ort in der Volksrepub­lik produziere­n. Als erste Werft folgt Fincantier­i den Lockrufen. Mit Hilfe des italienisc­hen Staatsunte­rnehmens will die China State Shipbuildi­ng Corporatio­n (CSSC) die ersten zwei Kreuzfahrt­schiffe für den chinesisch­en Markt bauen. Der Neubauauft­rag soll fast 1,5 Milliarden Euro schwer sein. Davon dürften auch deutsche Zulieferer wie die Mecklenbur­ger Metallguss profitiere­n. Vier weitere Schiffe sind geplant. Besteller ist der US-Reiseveran­stalter Carnival, zu der auch die Rostocker Reederei AIDA gehört.

Trotzdem zeigt sich der deutsche Schiffbau optimistis­ch. Die hohe Spezialisi­erung auf saubere und sichere Technologi­en »zahlt sich aus«, so der VSM. Der Umsatz der Seewerften stieg 2017 auf über drei Milliarden Euro – bei einem Auftragsbe­stand von fast 18 Milliarden.

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Foto: pxhere (CC0 1.0)
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Foto: dpa/Mohssen Assanimogh­addam Das Kreuzfahrt­schiff »Norwegian Bliss« im Werfthafen der Meyer-Werft

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