Feier und Protest zu Israels 70.
Am Jahrestag der Staatsgründung verlegen die USA ihre Botschaft nach Jerusalem
Berlin. Auch am 70. Gründungstag Israels bleibt Jerusalem Streitpunkt im Nahen Osten. Einen Tag vor dem Jahrestag der Staatsgründung und der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem feierte Israel den JerusalemTag. Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte während der wöchentlichen Kabinettssitzung, Jerusalem sei »seit mehr als 3000 Jahren die Hauptstadt unseres Volkes«.
Israel feiert den Umzug der US-Botschaft als Triumph. Man sei »mit einem wahrhaft historischen Ereignis gesegnet«, sagte Netanjahu am Sonntag zu der Entscheidung des mächtigen Verbündeten. US-Präsident Do- nald Trump habe seine Versprechen umgesetzt. Darauf werden laut Netanjahu der Umzug der Botschaften Guatemalas und Paraguays folgen, »und andere sind unterwegs«, so der Regierungschef. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat nannte am Sonntag den Umzug der US-Botschaft einen »Schritt, der nichts Geringeres bedeutet als die Schaffung einer neuen Weltordnung«.
Zu den bevorstehenden Feierlichkeiten reiste am Sonntag eine US-Delegation an. Finanzminister Steven Mnuchin, Präsidententochter Ivanka Trump und ihr Ehemann, Trump-Berater Jared Kushner, kamen am Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv an. Kushner traf sich nach seiner Ankunft mit Netanjahu.
In Israel geht derweil der Streit darüber weiter, wie mit den im Land lebenden israelischen Arabern umzugehen ist. Während diese sich mittlerweile vor allem um ihre Lebenssituation innerhalb des Landes sorgen, planen Palästinenser Massenproteste in Gaza und Ramallah. Die im Gazastreifen herrschende Hamas rief Israel zur Aufhebung der seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Blockade des Gebiets am Mittelmeer auf. nd
Ein Wahlbündnis aus vier palästinensischen Parteien bildet im israelischen Parlament mit 13 Abgeordneten die drittstärkste Kraft. Es ist nur eine kurze Autofahrt bis ins andere Israel; schon wenige Kilometer landeinwärts hinter Haifa werden die hebräischen Werbeschilder, die weiß getünchten Häuser und bräunlichen Hochhaussiedlungen der jüdischen Ortschaften seltener. Hier – im Drei-Länder-Eck Israel, Jordanien, Palästina – spricht auch das Finanzamt Arabisch, und so mancher Polizist geht zum Beten in die Moschee, nicht in die Synagoge, während die Menschen auch hier lautstark protestieren, wenn es beim Arzt zu lange dauert oder die Schlaglöcher auf der Straße zu viele werden.
»Die Menschen hier sind im Laufe der Zeit viel anspruchsvoller geworden«, sagt Ayman Odeh. »Man erwartet viel von diesem Staat und wird sehr, sehr ungehalten, wenn der Staat nicht liefert.« Das sei gut, sagt der 43Jährige, das sei aber auch eine riesige Herausforderung. Der gelernte Anwalt und Sozialist ist Vorsitzender der Chadasch, einer linken Partei, die seit der Parlamentswahl 2015 Teil der Vereinten Liste ist. Um nicht an der 3,25-Prozent-Hürde zu scheitern, hatte Chadasch zusammen mit drei weiteren arabischen Parteien ein Wahl- bündnis geschlossen; mit 13 Abgeordneten wurde man drittstärkste Kraft in der Knesset, dem Parlament.
Doch einig ist man sich ebenso wenig wie die arabische Bevölkerung in Israel: »Die Erwartungen an die staatliche Infrastruktur sind bei uns Arabern ebenso hoch wie bei den Juden; das ist die eine Sache«, sagt Odeh. »Die andere Sache ist die Frage, wie unser grundlegendes Verhältnis zum jüdischen Staat, zu Palästina aussehen soll.« Lange Zeit war es so, dass die israelischen Staatsbürger arabischer Herkunft Wahlen boykottierten und es verpönt war, in den Staatsdienst einzutreten.
Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Araber sind mittlerweile in allen Bereichen des Staatswesens anzutreffen, und 2015 war die Wahlbeteiligung so hoch wie nie zuvor. »Doch das bedeutet nicht, dass man nun voll und ganz hinter dem Staat steht oder ihn in seiner derzeitigen Form akzeptiert«, sagt Odeh. »Viele haben das Gefühl, Staatsbürger zweiter Klasse zu sein, dass sich ihre eigene Geschichte in diesem Staat nicht wiederfindet. Und bei alledem ist man auch in der Frage, welche Rolle Palästina für die Araber in Israel spielen sollte, gespalten.«
Unter den 13 Abgeordneten der Vereinten Liste findet sich fast die gesamte Meinungsvielfalt wieder: Während Odeh für Koexistenz eintritt, sich redegewandt im selben Atemzug gegen die Diskriminierung von Arabern, von sephardischen (nichteuropäischen) und äthiopischen Juden wendet, »weil alle, absolut alle die gleichen Rechte und Pflichten haben müssen«, sitzen neben ihm auch Abgeordnete, die den Staat Israel offen ablehnen und das Parlament vor allem als Bühne für die Forderung nach einem eigenständigen palästinensischen Staat sehen. »Das ist oft sehr schwierig, weil man- che der Positionen wirklich sehr schwer zu ertragen sind und es deshalb sehr oft Streit gibt«, so Odeh.
Schon wenn man nur wenige Minuten mit Odeh in einem arabischen Café sitzt, wird deutlich, welche Erwartungen die Öffentlichkeit hat. Immer wieder wird er angesprochen, wird gefordert, die Vereinte Liste möge doch bitteschön endlich für die Interessen der eigenen Wähler eintreten und die Verbesserung der Lage in den palästinensischen Gebieten der palästinensischen Regierung überlassen: »Es ist nicht zu übersehen, dass sich unsere Wähler sehr weit von den Palästinensern entfernt haben«, sagt Odeh, »manche meiner Kollegen haben das bis heute nicht verstanden.« Und tatsächlich befasst sich ein Großteil der Parlamentsvorlagen und Reden, die von Abgeordneten der Vereinten Liste eingebracht werden, mit den palästinensischen Gebieten.
»Dabei gibt es viele drängende Fragen, die darüber hinaus gehen, ob wir endlich schnelles Internet bekommen und die Straßen ordentlich gepflastert werden«, sagt Odeh. So kommt in den offiziellen arabischen Schulbüchern nur die israelische Sicht auf die Unabhängigkeit des Staates vor, auch arabische Kultur spielt so gut wie keine Rolle: »Die Schüler bekommen das Gefühl regelrecht eingetrichtert, dass ihre eigene Herkunft unwichtig ist.«
»Viele Araber haben das Gefühl, Staatsbürger zweiter Klasse zu sein, dass sich ihre eigene Geschichte in diesem Staat nicht wiederfindet. Und bei alledem ist man auch über die Frage, welche Rolle Palästina für die Araber in Israel spielen sollte, gespalten.«