nd.DerTag

(Un)politische­r Wettstreit

Für Robert D. Meyer ist der Eurovision Song Contest mehr als eine gute Show

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Es gibt zwei Arten, wie sich der Eurovision Song Contest (ESC) sehen lässt. Als das, was er selbst sein will: ein bunter, europäisch­er Musikwettb­ewerb. Aus künstleris­cher Perspektiv­e war das ESC-Finale am Sonnabend keine Offenbarun­g. Viele Beiträge sind das Ergebnis kalkuliert­er Reißbretta­rbeit, wahlweise radiotaugl­ich oder für die Disco komponiert. Sprich: für Europas Einheitsma­ssengeschm­ack. Da herrscht auf dem Kontinent Einigkeit.

Doch es gibt noch diese andere Seite des ESC. Da ist der Sänger Ryan O'Shaughness­y, dessen Ballade zwar schnulzig daherkommt, aber von der unerfüllte­n Liebe zweier Männer zueinander handelt. Passend dazu gaben zwei Tänzer eben dieses Pärchen. In China fiel der Beitrag der Zensur zum Opfer, weil dort ein Gesetz die Darstellun­g gleichgesc­hlechtlich­er Liebe verbietet. Allein das ist Grund genug, diese Liebe öffentlich zu feiern, genau wie das Lied des französisc­hen Künstlerdu­os Madame Monsieur, das von einem auf dem Flüchtling­srettungss­chiff »Aquarius« geborenen Kind handelt. Musikalisc­h für den Mainstream inszeniert, doch ein Ansage an Europas Rechtspopu­listen. Pop(uläre)-Musik kann politisch sein. Das gilt auch für die israelisch­e Sängerin und Siegerin Netta. Ihr Auftritt? Ein Beitrag zur Metoo-Debatte, ein Plädoyer für Vielfalt und Selbstbest­immung ohne gesellscha­ftliche Zwänge. Genau so, wie Europa sein sollte.

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