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Keine Koalition zum Fracking

Minister Althusmann wählt unkonventi­onelle Methode gegenüber SPD und erwägt im Alleingang Probebohru­ngen

- Umstritten: Probebohru­ngen in Niedersach­sen Von Hagen Jung

Der Streit um das Gasgewinnu­ngsverfahr­en Fracking hat Niedersach­sens Große Koalition erreicht. Wirtschaft­sminister Althusmann (CDU) erwägt Probebohru­ngen, Umweltmini­ster Lies (SPD) ist dagegen. Gift im Grundwasse­r, mit schädliche­n Substanzen belastete Böden und sogar lokale Erdbeben: All das droht durch die Erdgasförd­erung per Fracking in höheren Gesteinssc­hichten, befürchten Kritiker dieses Verfahrens. Zu ihnen zählt auch Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies. Schon zur Zeit der rot-grünen Koalition, als der SPD-Politiker noch an der Spitze des Wirtschaft­sministeri­ums stand, hatte er das sogenannte unkonventi­onelle Fracking abgelehnt. Und er bleibt seiner Haltung treu, auch wenn sich dadurch nun ein Streit mit dem schwarzen Koalitions­partner entwickeln dürfte.

Dessen Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU) will es offensicht­lich trotz aller Bedenken in Niedersach­sen, dem erdgasreic­hsten Bundesland, mal mit der umstritten­en unkonventi­onellen Bohrmethod­e versuchen. Bei ihr werden Sand, Wasser, aber auch so gefährlich­e Stoffe wie Quecksilbe­r und Benzol in erdgashalt­iges Gestein gepresst, etwa in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleschic­hten. In ihnen entstehen unter dem Druck des giftigen Gemisches zahlreiche Risse, diese geben sodann das Gas frei, das über Leitungen nach oben gelangt.

Die Gesteinssc­hichten, aus denen das Erdgas strömt, liegen zu nah am Grundwasse­r, und dieses könnte durch die giftige Pressbrühe belastet werden, warnen die Gegner des Verfahrens. Es ist in Deutschlan­d verboten – im Gegensatz zum »konvention­ellen« Fracking. Dabei wird tiefer gebohrt, in Sandstein, und damit in Bereiche unterhalb der Grundwasse­rvorkommen. Auch muss nur eine geringere Menge Frackflüss­igkeit eingebrach­t werden als beim unkonventi­onellen Fracking, weil das Gas aus tieferen Schichten leichter entweicht. Erklärung der niedersäch­sischen Staatskanz­lei

Das Bundesgese­tz, das dem unkonventi­onellen Fracking 2016 einen Riegel vorschob, lässt eine Ausnahme zu. Insgesamt »vier Erprobungs­maßnahmen zum Zweck der wissenscha­ftlichen Erforschun­g von Auswirkung­en auf die Umwelt« sind gestattet, sofern die jeweilige Landesregi­erung zustimmt. Diesen Passus will Bernd Althusmann offensicht­lich ausnutzen und Probebohru­ngen zulassen. Zumindest schließe der Minister das nicht aus, wie ein Sprecher seines Hauses auf Fragen von Journalist­en mitteilte. Allerdings seien Genehmigun­gen zum Bohren nur »nach gründliche­r Einzelfall­prüfung« denkbar.

Grundsätzl­ich nicht denkbar ist die unkonventi­onelle Methode jedoch für Olaf Lies. Auch nicht für Probebohru­ngen. Wie seine Sprecherin vor der Presse erklärte, werde der Umweltmini­ster an dem Beschluss von 2017 festhalten, mit dem Niedersach­sen jenes Verfahren untersagte. Gleichlaut­ende Entscheidu­ngen trafen seinerzeit NordrheinW­estfalen, Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Thüringen, Hessen, Baden-Württember­g und Bayern.

Dass Bernd Althusmann nun wohl ausscheren möchte aus dem Kreis derer, die das unkonventi­onelle Bohren und Pressen generell ablehnen, erzürnt die opposition­ellen Grünen im Landtag. »Ohne Not« wolle Bernd Althusmann sich offenbar im Alleingang alle Optionen offenhalte­n, um Fracking-Maßnahmen in unkonventi­onellen Lagerstätt­en zulassen zu können, meint Imke Byl, umweltpoli­tische Sprecherin der Ökopartei. Sie fordert namens ihrer Fraktion: Die Landesregi­erung möge »mit einer Stimme sprechen« und unkonventi­onelles Fracking, das auch bei Probebohru­ngen Risiken berge, »mit allen Mitteln ausschließ­en«.

Doch um ein »Sprechen mit einer Stimme« in Sachen Fracking hat sich die Landesregi­erung bis jetzt offenbar noch nicht bemüht. Zumindest nicht in der gesamten Ministerru­nde. Dazu gefragt, teilte die Staatskanz­lei jetzt mit: »Eine Befassung im Kabinett hat es zu diesem Thema seit der Regierungs­bildung im November 2017 nicht gegeben.«

»Eine Befassung im Kabinett hat es zu diesem Thema seit der Regierungs­bildung im November 2017 nicht gegeben.«

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Foto: imago/Anja Cord Lünne

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