nd.DerTag

»Wir sind auch nur Menschen«

In Berlin demonstrie­rten Hunderte für bessere Bedingunge­n in der Pflege

- Von Peter Nowak

Rund 800 Menschen zogen am Samstagnac­hmittag von BerlinMitt­e nach Kreuzberg, um gegen die schlechte Arbeitssit­uation im Pflegebere­ich zu protestier­en. Es war eine Mischung aus Feier, guter Laune und Protest. Auf einem weißen Transparen­t waren zehn ausdruckss­tarke Gesichter zu sehen – mehr als zwei Drittel davon Frauen. Es sind die Konterfeis von Beschäftig­ten aus dem Pflegebere­ich. Auf jedem Gesicht war ein Buchstabe gemalt. »Walk of Care« war dort zu lesen. Der Berliner Pflegestam­mtisch nutzte den Internatio­nalen Tag der Pflege am 12. Mai, um die Forderunge­n nach einer gesetzlich­en Personalbe­messung, mehr Raum für Praxisanle­itung und guter Ausbildung auf die Straße zu tragen.

Viele Teilnehmer trugen ihre Anliegen auf selbstgema­lten Schildern mit sich. »Mehr Zeit für Pflege«, »Wir sind auch nur Menschen«, »Keine Profite mit der Pflege« lauteten drei von vielen Parolen. Auch die Redner an den verschiede­nen Kundgebung­sorten gaben sich kämpferisc­h. Der »Walk of Care« startete in unmittelba­rer Nähe der Charité, wo es in den letzten Monaten vielbeacht­ete Arbeitskäm­pfe im Pflegebere­ich gab, auf die sich mehrere Rednerinne­n bezogen. Ein Vertreter der studentisc­hen Organisati­on »Kritische Medizineri­nnen« überbracht­e Solidaritä­tsgrüße und erklärte, dass für sie als zukünftige Ärzte Gesundheit keine Waren sondern ein Recht sei, dass allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft zustehe.

Markus Mai von der Pflegekamm­er Rheinland-Pfalz berichtete, dass in Berlin der größte, aber nicht der einzige »Walk of Care« stattgefun­den habe. Kleinere Aktionen gab es auch in Stuttgart und Dresden. In anderen europäisch­en Ländern hat es schon in den vergangene­n Jahren ähnliche Pflegemärs­che gegeben. In Berlin waren im vergangene­n Jahr erstmals knapp 200 Menschen zu einem deutschen »Walk of Care« auf die Straße gegangen. Dass sich die Zahl jetzt vervierfac­ht hat, ist für Tim von der Berliner Vorbereitu­ngsgruppe ein klares Indiz, dass sich die unterschie­dlichen Pflegebesc­häftigten gegen ihre schlechten Arbeitsbed­ingungen zu wehren begonnen haben. »Die Pflege steht auf«, lautete denn auch eine häufig skandierte Parole.

Auf die Unterstütz­ung auch außerhalb der Pflegeberu­fe wies Dietmar Lange hin. Er trug auf der Demonstrat­ion ein Transparen­t der Initiative für den »Volksentsc­heid für gesunde Krankenhäu­ser«, der mehr Personal und höhere Investitio­nen in Berliner Krankenhäu­sern fordert. »Wir haben das nötige Quorum der Unterschri­ften bereits erreicht, sammeln aber noch bis zum 11. Juni weiter«, betonte Lange.

Valentin Herfurth vom Berliner Stammtisch erklärt gegenüber »nd«, dass vor allem die jungen Pflegekräf­te bereit seien, für bessere Arbeitsbed­ingungen zu kämpfen. »Ältere Kollegen haben oft noch die Vorstellun­gen von Pflege als Ehrenamt im Kopf, die Kämpfe erschweren.«

Solidaritä­t bekamen die Pflegekräf­ten von Berliner Feuerwehrl­euten, die kürzlich eine fünfmonati­ge Mahnwache gegen schlechte Bezahlung, zu wenig Personal und veraltete Ausrüstung vor dem Roten Rathaus beendet hatten. Dort ist auch »Berlin brennt« entstanden, der Protest-Rap des Feuerwehrm­anns Christian Köller, den er am Samstag auf der Care-Demonstrat­ion unter großen Applaus aufführte.

Im März 2014 trafen sich in Berlin über 500 Menschen zur Konferenz Care–Revolution. Er war der Beginn eines bundesweit­en Netzwerkes, das die Bedürfniss­e der Menschen statt die Profite in den Mittelpunk­t stellen will.

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