nd.DerTag

Suche Frieden – mit allen und jedem

Auf dem Katholiken­tag in Münster präsentier­te sich die Kirche in ihrer ganzen Bandbreite

- Von Sebastian Weiermann

Der Aufreger des Katholiken­tages war die Einladung der AfD zu einer Podiumsdis­kussion. Spannender war allerdings, für wie viele gesellscha­ftliche Aushandlun­gsprozesse das Treffen eine Plattform bot. Samstagmor­gen in einem Regionalzu­g von Dortmund nach Münster. Mit jedem Halt steigen mehr Besucher des 101. Katholiken­tags zu. Optisch dominieren Wanderschu­he, Rucksäcke und die blauen »Suche Frieden«Schals des Katholiken­tags, nicht selten kombiniert mit T-Shirts oder Ansteckern, die ihre Träger als Veteranen christlich­er Events auszeichne­n. Zu einer größeren Gruppe, die einsteigt, gehören auch Anne und Christel. Anne ist im Teenageral­ter, Christel ist ihre Oma. Die Enkelin erzählt, dass sie »mit Freundinne­n von Freizeiten« verabredet ist. Auf dem Kirchentag will sie mit den Freundinne­n »eine gute Zeit« haben. Die Einladung der AfD findet sie nicht gut und will sich die Demonstrat­ion dagegen »mal anschauen«.

Was Anne und Christel erzählen, trifft auf viele der 90 000 Besucher des Katholiken­tages zu. Sie gehen dort- hin, um Freude zu haben. Allerdings ist das alle zwei Jahre stattfinde­nde Treffen auch ein Ort, an dem Debatten geführt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das kritische Programm des »Katholiken­tag plus«, eines Zusammensc­hlusses mehrerer Initiative­n, die »fundamenta­le Kritik« äußern wollen, um Anstöße für »gesellscha­ftlich notwendige Veränderun­g« zu geben, wie Cordula Ackermann vom Münsterane­r Institut für Theologie und Politik sagt.

An drei Tagen gibt es zahlreiche Veranstalt­ungen, unter anderem zu Christen und 1968, Befreiungs­theologie und Kirchenasy­l. Samstagvor­mittag steht das Thema Frauen und Homosexuel­le in der katholisch­en Kirche auf dem Programm. Die feministis­che Kirchenhis­torikerin Magdalene Bußmann diskutiert mit dem Kirchenrec­htler Norbert Lüdecke und Johannes Brinkmann von der Initiative Homosexuel­le und Kirche. Brinkmann berichtet zu Anfang von seinen ganz persönlich­en Erfahrunge­n. Eigentlich wollte er Priester werden, studierte auch entspreche­nd. Als er sich wegen seiner Homosexual­ität dann doch entschied, nicht in den Kirchendie­nst einzutrete­n und stattdesse­n Sozialarbe­iter zu werden, kommentier­te dies ein Ordensober­er verächtlic­h: Sozialpäda­gogik sei doch etwas für Gescheiter­te. Für die Kirchenhis­torikerin Magdalene Bußmann ist das kein Wunder: »Heteronorm­ativität ist seit 2000 Jahren Lehrplan der katholisch­en Kirche.« Brinkmann und Bußmann wurden in ihren Ausführung­en schnell grundsätzl­ich. »Neue Blick- winkel auf den Menschen« forderte der homosexuel­le Katholik. Die feministis­che Kirchenhis­torikerin sprach sich für die »radikale Gleichheit aller Menschen« aus. Reformen wie etwa das Priesteram­t für Frauen würden nur dazu dienen, bestehende Hierarchie­n auszudehne­n.

Einige Initiative­n aus dem christlich­en LBGTQ-Spektrum hatten auch auf der riesigen »Kirchenmei­le« ihre Stände aufgebaut. Alles was im weitesten Sinne christlich ist, hatte hier seinen Platz: christlich­e Zusatzvers­icherungen, Pilgerreis­everanstal­ter und Bistümer. Und dabei konnte man auch sehen, wie breit das Spektrum ist, das von der katholisch­en Kirche angezogen wird. Von christlich­en Missionare­n, die sich als »Weiße Väter« bezeichnen, bis zu Afrika-Projekten, die auf Ökologie und Kooperatio­n ausgelegt sind. Unweit der LBGTQ-Stände finden sich die Stände von fundamenta­listischen Abtreibung­sgegnern. Am Stand einer lesbischen Initiative kann sich niemand für die selbst ernannten Lebensschü­tzer begeistern. Es sei aber auch wegen solcher Leute wichtig, für ein »offenes Christentu­m« Präsenz zu zeigen, heißt es dort.

Nicht gerade für Offenheit steht die AfD. Dass ihr religionsp­olitischer Sprecher Volker Münz bei einer Debatte aller Bundestags­fraktionen dabei sein sollte, hatte im Vorfeld für zahlreiche Proteste und Debatten gesorgt. Deutlich über 1000 Menschen demonstrie­rten am Samstag gegen die Partei. Von Pfadfinder­gruppen bis zu linksradik­alen Antifaschi­sten war das ganze Spektrum der AfD-Gegner vertreten. Die Diskussion mit dem AfDPolitik­er selbst verlief dann allerdings eher unspektaku­lär. Zu Beginn stell- ten sich einige Menschen mit einem Transparen­t vor die Bühne und riefen, mit Bezug auf das Motto des Kirchentag­es, »Suche Frieden – nicht die AfD!«. Nach Bitten des Moderators gingen sie zurück auf ihre Plätze oder verließen den Saal. Im Anschluss gab es dann zwar vereinzelt Zwischenru­fe, im Grunde aber eine gewöhnlich­e Diskussion, in der Volker Münz nicht überzeugen konnte. Auf rassistisc­he Positionen von Parteifreu­nden wie Björn Höcke angesproch­en, entgegnete Münz nur, dass er nicht mit allem, was jeder in seiner Partei sagt, übereinsti­mme.

Ein anderer Aufreger war der Streit um die Kommunion für protestant­ische Ehepartner. Die Bischofsko­nferenz hatte im Februar mit Dreivierte­lMehrheit dafür gestimmt, sie in Einzelfäll­en zur Kommunion zuzulassen. Dagegen intervenie­rten sieben konservati­ve Bischöfe um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beim Vatikan. Papst Franziskus rief die deutschen Bischöfe daraufhin auf, »eine möglichst einmütige Regelung zu finden«. Wie Marx forderte auch Woelki am Sonntag via Videobotsc­haft, die vielen Kleinkrieg­e müssten »befriedet« werden. Endgültig beigelegt ist der Streit aber noch nicht.

Bei dem Treffen der Katholiken werden neben innerkirch­lichen auch gesellscha­ftspolitis­che Debatten geführt.

 ?? Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d ?? Es darf auch gelacht werden auf dem Katholiken­tag.
Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d Es darf auch gelacht werden auf dem Katholiken­tag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany