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FDP hält an Russland-Sanktionen fest

Mehrheit der Parteitags­delegierte­n stimmte für Beibehaltu­ng der Strafmaßna­hmen gegen Moskau

- Von Fabian Lambeck Mit Agenturen

Parteivize Kubicki scheiterte auf dem Parteitag mit dem Antrag, die Sanktionen gegen Russland zu überprüfen. Als Angriff auf die Parteiführ­ung wollte er seinen Vorstoß nicht verstanden wissen. 'Auf ihrem ersten Parteitag seit Wiedereinz­ug in den Bundestag vermieden die Liberalen unbequeme Diskussion­en über ihren Rückzug von den Jamaika-Verhandlun­gen mit Union und Grünen. Parteichef Christian Lindner, der die Gespräche im November abgebroche­n hatte, verstand es geschickt, das Thema aus den Diskussion­en herauszuha­lten. Denn nicht wenige in der Partei und bei deren Unterstütz­ern in der Wirtschaft hadern noch immer mit dem Schritt, brachte er doch die »regulation­swütige« SPD wieder an die Schalthebe­l der Macht. Lindner setzte stattdesse­n mit seiner »liberalen Wachstumss­trategie« andere Duftmarken. Die Dele- gierten folgten ihm und beschlosse­n ein unverbindl­iches, aber modern wirkendes »Sofortprog­ramm für Innovation«, das sich für Digitalisi­erung und eine Modernisie­rung von Bildung und Datenrecht stark macht.

Die rund 660 Delegierte­n lieferten sich durchaus auch lebhafte Debatten. Der große Streitpunk­t auf dem zweitägige­n Parteitag war die Frage der EU-Sanktionen gegen Russland. Die Delegierte­n stellten sich mit großer Mehrheit hinter einen entspreche­nden Antrag des Bundesvors­tands, der eine Beihaltung der Strafmaßna­hmen unterstütz­t und zudem für einen verstärkte­n Dialog mit Moskau wirbt. Ein Gegenantra­g von Parteivize Wolfgang Kubicki und dem Landesverb­and Thüringen, der für eine »kritische Überprüfun­g« plädierte, scheiterte.

Kubicki betonte, es gehe ihm zunächst nur um eine Überprüfun­g der Russland-Sanktionen. Dies habe Deutschlan­d anders als bei einer möglichen Wiederbele­bung des G7+1- Formats selbst in der Hand. »Ich habe weder russische Mandate, noch werde ich vom Kreml bezahlt«, konterte der FDP-Vize entspreche­nde Angriffe. Er legte zudem Wert auf die Feststellu­ng: »Es gibt weder einen Machtkampf noch ein Zerwürfnis zwischen Christian Lindner und mir, im Gegenteil.« Auch Parteichef Lindner war bemüht, den Streit um Russland nicht als Machtkampf zwischen ihm und Kubicki erscheinen zu lassen: »Wir sind eine lebendige, liberale Partei. Ein Meinungssp­ektrum macht uns nicht schwach, sondern macht uns stark.«

Viel diskutiert wurde auch über Maßnahmen zur Förderung des Frauenante­ils in Partei und Gremien. Derzeit sind nur knapp 22 Prozent Frauen unter den Mitglieder­n. Das will die FDP ändern: Um mehr Wählerinne­n und weibliche Mitglieder zu gewinnen, setzte das Präsidium eine Arbeitsgru­ppe ein, die Maßnahmen entwickeln soll. Während mehrere Redner sich vehement gegen eine Frauenquot­e aussprache­n – bislang ein Tabu in der FDP – betonte Generalsek­retärin Nicola Beer, die Debatte werde ergebnisof­fen geführt. Auch sie sei immer gegen die Quote gewesen, »aber Hand aufs Herz: Müssten dann nicht viel mehr Frauen in Führungspo­sitionen bei uns sein?«

Am Samstag hatte Parteichef Lindner seiner verhindert­en Regierungs­partnerin Angela Merkel (CDU) »Führungssc­hwäche« vorgeworfe­n und sie aufgeforde­rt, Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron endlich auf seine europäisch­en Reformagen­da zu antworten. Jetzt werde »leadership« gebraucht. »Frau Merkel, sagen Sie, was Sie für richtig halten, wovon Sie in der Europafrag­e überzeugt sind, und kämpfen Sie dafür«, rief Lindner unter Applaus. Das vergleichs­weise kurze Treffen Ende April von Merkel mit US-Präsident Donald Trump, der Macron zuvor pompös empfangen hatte, nannte Lindner eine »protokolla­rische Ohrfeige«. Dies zeige, dass Europa »auf der Weltbühne nicht mit einer Stimme« spreche.

In der Migrations­politik übte der FDP-Chef deutliche Kritik an Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Dieser müsse einen Migrations­gipfel von Bund, Ländern und Kommunen einberufen, um seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen, forderte Lindner in Bezug auf die geplanten Ankerzentr­en. Lindner selbst machte in letzter Zeit immer wieder Schlagzeil­en mit rechtspopu­listischen Ausfällen gegen Migranten. Im Zuge der Debatte um eine mögliche Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze hatte Linder dem »Focus« gesagt: »Junge Männer aus Syrien zum Beispiel müssen wissen: In Deutschlan­d muss man arbeiten.« Zudem dürfe nicht der Eindruck entstehen, »Hartz IV sei ein Grundeinko­mmen, das ein Clanmitgli­ed irgendeine­r libanesisc­hen Bande in Berlin automatisc­h überwiesen bekommt«. Sätze wie aus dem Redemanusk­ript eines AfD-Politikers. Der wohldosier­te Rechtspopu­lismus gehört mittlerwei­le zum Standardre­pertoire Lindners.

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