nd.DerTag

Proteste gegen Ustaša-Aufmarsch

Im österreich­ischen Kärnten fand eines der größten Faschisten­treffen Europas statt

- Von Michael Bonvalot, Wien

Rund zehntausen­d Faschisten marschiert­en am Samstag in Bleiburg auf. Offiziell findet dort seit Jahren eine katholisch­e Gedenkvera­nstaltung statt, doch ist es einer der größten rechten Aufmärsche Europas. Quer über die Straße hat jemand die Worte »Smrt fašizmu« gemalt, »Tod dem Faschismus«. Es ist die berühmte Losung der jugoslawis­chen Partisanen. Tausende Faschisten werden im Lauf des Tages daran vorbeigehe­n müssen. Viele wirken wütend, als sie die Aufschrift sehen.

Es ist einer der größten faschistis­chen Aufmärsche Europas, der jedes Jahr Mitte Mai im österreich­ischen Bleiburg stattfinde­t. Um die zehntausen­d Personen sollen es in diesem Jahr gewesen sein, die sich in dem kleinen Ort an der Grenze zwischen Kärnten und Slowenien versammelt­en.

Für kroatische Faschisten hat Pliberk, wie Bleiburg in der Sprache der slowenisch­en Minderheit heißt, fast mythologis­che Bedeutung. Hier fand eine der letzten großen Auseinande­rsetzungen des Zweiten Weltkriegs statt – für die Faschisten endete sie mit einer bitteren Niederlage.

Zehntausen­de Personen flüchteten 1945 vor den jugoslawis­chen Partisanen nach Norden. Hauptsächl­ich waren es Militärs und Anhänger der kroatische­n faschistis­chen Ustaša. In Bleiburg wollten sie sich britischen Truppen ergeben. Allerdings »unter der Voraussetz­ung, dass der Kampf gegen die Partisanen fortgesetz­t würde«, wie der Historiker Hrvoje Klasić gegenüber der österreich­ischen Tageszeitu­ng »Standard« erklärt. Der Plan ging nicht auf, Partisanen­einheiten konnten die Faschisten gefangen nehmen. Nach verschiede­nen Quellen wurden danach 50 000 bis 70 000 Personen von den Partisanen exekutiert. Die harte Abrechnung kam nicht von ungefähr. Der katholisch­kroatische Faschismus der Ustaša hatte unter Juden, Roma, Serben und politische­n Gegnern brutal gewütet. Allein im Konzentrat­ionslager Jasenovac hatte die Ustaša bis zu 100 000 Menschen ermordet.

Nach dem Zerfall Jugoslawie­ns griffen die rechten Parteien des unabhängig­en Kroatien den Mythos Bleiburg neu auf. Vor allem die aktuell regierende Kroatische Demokratis­che Union (HDZ) tat sich dabei hervor. Die Schwesterp­artei von CDU/CSU war dementspre­chend auch 2018 wieder mit höchsten Funktionär­en in Bleiburg vertreten, darunter Parlaments­präsident Gor- dan Jandrokovi­ć und Verteidigu­ngsministe­r Damir Krstičević.

Offiziell handelt es sich beim Aufmarsch in Bleiburg um eine katholisch­e Gedenkvera­nstaltung. Der Ustaša-Faschismus war katholisch, Priester fungierten sogar als Kommandant­en im KZ Jasenovac. Die Verbindung­en zwischen Klerus und Faschismus sind bis heute eng, die Messe wurde in diesem Jahr von Želimir Puljić gehalten, dem Bischof von Zadar. Auch die österreich­ische katholisch­e Kirche ist involviert: Sie gibt die Erlaubnis, dass die kroatische­n Amtskolleg­en ihre Feier abhalten dürfen.

Die tausenden Faschisten zeigen unterdesse­n bei der Messe und dem anschließe­nden Marsch zum Gedenkfeld ihre Gesinnung ganz offen. Überall sind Symbole der faschistis­chen Ustaša-Bewegung zu sehen. Die konkurrier­enden kroatische­n Rechtsauße­n-Parteien zeigen ihre Logos. Immer wieder gibt es Hitler-Grüße.

»Das läuft ganz offen ab. Shirts mit Wehrmachts­helm, SS-Tätowierun­gen, Ustaša-Embleme. Alles unter den Augen der Polizei«, erzählt Dagmar Schindler. Sie ist stellvertr­etende Obfrau des KZ-Verbands, einer der großen Opferverbä­nde. »Auffallend ist auch die starke Präsenz von kroatische­n Exil-Strukturen aus Österreich und Deutschlan­d«, ergänzt ein Aktivist, der den Aufmarsch bereits seit Jahren beobachtet. Die europaweit­e Bedeutung betont auch der AK Bleiburg/Pliberk, der intensiv zum Aufmarsch recherchie­rt hat. Dort wird über die Anwesenhei­t von Blood-andHonour-Strukturen wie auch von ungarische­n Faschisten berichtet.

Gegen den faschistis­chen Aufmarsch protestier­ten in Bleiburg rund 100 Personen aus Österreich, Slowenien und Kroatien. Schindler kündigt an, dass es im kommenden Jahr deutlich mehr werden sollen: »Das war ein Anfang. Doch 2019 wird der Protest wesentlich breiter und internatio­naler werden.«

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