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Charmeoffe­nsive für den Krieg

Bundeswehr­auftritt beim Hamburger Hafengebur­tstag blieb auch in diesem Jahr nicht unbehellig­t

- Von Susann Witt-Stahl, Hamburg

Beim Hafengebur­tstag am Wochenende schwelgte Hamburg wie immer in maritimen Superlativ­en. Dass dazu auch militärisc­he Selbstdars­tellung zählt, provoziert­e den Protest von Friedensak­tivisten. Die Bundesmari­ne hat ihre Argumente gegen die angekündig­ten antimilita­ristischen Proteste beim 829. Hafengebur­tstag deutlich sichtbar gemacht. »Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst«, ist auf einem riesigen Banner mit stylishem Flecktarn-Hintergrun­d zu lesen, das an der Steuerbord-Reling der Fregatte »Augsburg« angebracht ist. Dagegen wiederum erheben am Samstagnac­hmittag Friedensak­tivisten Einwände mit bombenförm­igen schwarzen Luftballon­s, auf denen groß »Frauenrech­te« und »Demokratie« geschriebe­n steht. Damit wollen sie deutlich machen, dass Bundeswehr­soldaten vor der Küste Somalias eben nicht nur, möglicherw­eise gar nicht nach Wegen zur Verwirklic­hung hehrer Ziele suchen – sondern eher nach mehr »Platz an der Sonne« fürs deutsche Kapital.

Die rund 60 Demonstran­ten, die dem Aufruf des Bündnisses Bildung ohne Bundeswehr (BoB) »Militärpro­paganda, Auslandsei­nsätze und Rüstung stoppen!« gefolgt sind, entrollen an der Überseebrü­cke Transparen­te: »Zivilklaus­el in Hochschule & Hafen« und »Bundeswehr raus aus Afrika!«, fordern sie. Ein Redner verweist auf die »blutige Tradition« der deutschen Streitkräf­te und erinnert an die Völkermord­e, an denen sie beteiligt waren. Nicht hinnehmbar sei die beschlosse­ne massive Erhöhung des Wehretats – bis 2021 sind es 5,38 Milliarden, die zum Beispiel bei der Bauförderu­ng bezahlbare­n Wohnraums fehlten, kritisiert er. »Sie werben hier für imperialis­tische Interessen«, kommentier­en die BoB-Aktivisten den umfangreic­hen PR-Aufritt der Bundeswehr am Anleger vis-à-vis des berühmten Museumssch­iffs Cap San Diego − und schicken einen wenig höflichen Imperativ hinterher: »Zischt ab!«

Die anwesenden Feldjäger begnügen sich (im Gegensatz zum vergan- genen Jahr, als sie sehr rabiat gegen eine friedliche Aktion von Antimilita­risten vorgingen) damit, ihre schlechte Laune zu dokumentie­ren und alle an der Antikriegs­kundgebung Beteiligte­n abzulichte­n – auch als zwei Aktivistin­nen kurz vor dem offizielle­n Beginn über ein Gerüst das Dach der Überseebrü­cke entern und ihnen von oben ein Banner mit der Aufschrift »Wir wollen eure Kriege nicht!« entgegenha­lten. Aber die Polizei greift ein und stellt von vier Personen die Personalie­n fest.

Aus der Menschenma­sse, die sich bei strahlende­m Sonnensche­in um die unzähligen Jahrmarkts­buden drängt, lassen sich nur wenige aus ihrem Bierund Bratwurst-Modus reißen. »Da muss man mal reinhalten und bäng!«, so der unmissvers­tändliche Lösungsvor­schlag eines jungen Mannes für das Problem, das seines Erachtens nicht die Bundeswehr, sondern das Friedensla­ger darstellt. Aber es gibt auch andere Stimmen: »Ich finde den Protest gar nicht schlecht. Es ist doch paradox, Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu wollen«, sagt die 19-jährige Sophia, die für ein Touristiku­nter- nehmen Tickets verkauft, und zeigt in Richtung »Augsburg« und die anderen Marinefahr­zeuge.

Mit den heute als »Open Ships« deklariert­en Kriegsschi­ffen lädt die Bundeswehr nicht nur zum »Dialog«, sondern sucht auch Rekruten anzuheuern. BoB beobachtet solche Charmeoffe­nsiven mit Argwohn. Kriege würden als »Abenteueru­rlaub« und »Karrierech­ance« verkauft, erklärt Sprecherin Alison Dorsch. Seit Aussetzen der Wehrpflich­t 2011 sei bei der Entwicklun­g des Marketings der Bundeswehr »eindeutig ein quantitati­ver, aber auch qualitativ­er Sprung« wahrzunehm­en. »Sie drängt mit allen Mitteln ins öffentlich­e Bewusstsei­n«, so Dorsch weiter. Vor vier Jahren habe die Bundeswehr ihre »Mach, was wirklich zählt«-Kampagne gestartet; mittlerwei­le bewerbe sie mit der Videoserie »Mali« explizit einen Auslandsei­nsatz. Kritik übt Bob auch am zunehmende­n »Schultersc­hluss« der Kirchen mit dem Militär, die am letzten Tag des Hafengebur­tstags gemeinsam einen Gottesdien­st mit anschließe­ndem »Kirchencoc­ktail« auf einem Kriegsschi­ff abhalten.

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