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Das Ende eines »Dinos«

Der Hamburger SV verlässt erstmals die 1. Bundesliga

- Von Franko Koitzsch und Thomas Prüfer, Hamburg

Ein Kapitel deutscher Fußballges­chichte ist beendet. Der Hamburger SV, zweifacher Europapoka­lsieger und sechsfache­r deutscher Meister, ist erstmals in seiner Bundesliga-Historie abgestiege­n. Nach fast 55 Jahren hat es den dienstälte­sten Erstligist­en, der als einziger Verein seit Gründungss­tunde im Oberhaus vertreten war, erwischt. »Ich habe nie gedacht, dass der HSV, solange ich lebe, einmal absteigen würde«, sagte Klubikone Uwe Seeler. »Ich glaube aber auch«, so der 81-Jährige, »dass wir wieder aufsteigen und ich noch mal 1. Liga zu sehen bekomme.«

Das verdiente 2:1 gegen Mönchengla­dbach war nichts mehr wert. Doch die bundesweit bekannte Uhr des HSV läuft weiter. Sie soll künftig wohl auf die Dauer des 130-jährigen Vereinsbes­tehens umgestellt werden. Chronisten hielten den historisch­en Moment fest: Nach 54 Jahren, 261 Tagen, 00 Stunden, 36 Minuten und 02 Sekunden klappte der Traditions­verein von der Elbe seine Bundesliga-Chronik zu. »Dies ist ein enorm schmerzhaf­ter Moment für den gesamten HSV, der damit eine seiner Einzigarti­gkeiten verloren hat«, klagt Bernd Hoffmann, Präsident und Aufsichtsr­atschef.

Der Wechsel zu Trainer Christian Titz sei »ein bisschen spät« gekommen«, bedauert Uwe Seeler. Der Trainer-Nobody holte aus acht Spielen 13 Punkte und sorgte für eine Wiederbele­bung des desolaten HSV. Der 47-Jährige schaffte starke 1,62 Zähler pro Spiel. Da hatten seine Vorgänger Markus Gisdol (0,79) und Bernd Hollerbach (0,43) den Karren längst in den Dreck gesteuert. Deren Verschulde­n ist die Schussfahr­t in die Katastroph­e aber nicht allein. Der überforder­te Ex-Sportchef Jens Todt und Ex-Vorstandsc­hef Heribert Bruchhagen leisteten auch ihren Beitrag zum Niedergang.

Kompetenz, Konzept und pädagogisc­hes Geschick des ehemaligen U17- und U21-Trainers Titz wurden von der HSV-Führungsri­ege viel zu spät erkannt. Hätte er früher antreten dürfen, wäre die Degradieru­ng in Liga 2 wohl zu verhindern gewesen. In Vorstand und Aufsichtsr­at dominieren Zahlenakro­baten und Wirtschaft­sexperten, Fußballsac­hverstand ist Mangelware. Ex-Verteidige­r Marcell Jansen soll die Schieflage im Aufsichtsr­at beheben. »Dieser Abstieg ist das bittere Ergebnis einer sportliche­n Fehlentwic­klung«, so Finanzchef Frank Wettstein, verschweig­t aber die eigene Verantwort­ung und die seiner Kollegen.

Der HSV wird unter Titz einen tiefgreife­nden Umbruch vollziehen. Geld für Millioneni­nvestition­en in neue Spieler, wie sie Bernd Hoffmann in seiner ersten Amtsperiod­e (2003 bis 2011) hemmungslo­s vornahm, wird es nicht geben. Titz zeigt den Weg: Juniorensp­ieler wie der mit dem FC Bayern in Verbindung gebrachte Fiete Arp, Tatsuya Ito, Josha Vagnoman und Stephan Ambrosius wurden an die Profis herangefüh­rt.

Was die Chaoten in der Nordkurve mit Böllern und Rauchbombe­n Sekunden vor Schluss auslösten, wird den HSV noch teuer zu stehen kommen. Wieso, fragen sich 56 900 friedliche Zuschauer im Stadion, konnten die rund 100 Schwarzjac­ken so viel Pyrotechni­k in die Arena schleusen, dass die gefährlich­e Ballerei 15 Minuten andauerte? Die anderen Fans pfiffen die Chaoten lautstark aus und legten sich fest: »Wir sind Hamburger – und ihr nicht!«

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