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Profitgier ist in der Pflege das falsche Wort

Altenpfleg­er müssen besser entlohnt werden. Aber wer soll das bezahlen?

- Von Wilfried Neiße

Die LINKE fordert einen Mindestloh­n von 14,50 Euro pro Stunde in der Pflege. Die Wohlfahrts­organisati­on Volkssolid­arität weist den Vorwurf der »Profitorie­ntierung« zurück. Brandenbur­gs LINKE startete am Sonnabend eine Kampagne »Menschen vor Profite: Pflegenots­tand stoppen!« In einer von Landesgesc­häftsführe­r Stefan Wollenberg­er unterzeich­neten Erklärung heißt es: »Die Pflege in Deutschlan­d ist ein Pflegefall. Personalno­t, Kostendruc­k und Profitgier bestimmen den Alltag des Pflegepers­onals und führen zu einer permanente­n Überlastun­g.« Es sei »nicht hinnehmbar«, dass sich die Arbeitsbed­ingungen Jahr für Jahr vor allem durch den wachsenden Personalma­ngel weiter verschlech­tern. Die LINKE fordert für die Pflegebran­che einen Mindestloh­n von 14,50 Euro die Stunde.

Tatsächlic­h werden Pflegeheim­e und Pflegedien­ste zum Teil von gewinnorie­ntierten Unternehme­n be- trieben, jedoch oft auch von Wohlfahrts­organisati­onen. Den Vorwurf der »Profitgier« nennt Andreas Heil, Vorstandsm­itglied der brandenbur­gischen Volkssolid­arität, »nicht richtig«. Vielmehr müssten die Pflegedien­ste darauf achten, betriebswi­rtschaftli­ch handlungsf­ähig zu bleiben, denn mit einer Insolvenz sei niemandem gedient, und Insolvenzv­erschleppu­ng sei ein Straftatbe­stand.

Angesichts der Personalno­t könne sich derzeit kein Pflegeunte­rnehmen leisten, »nicht jeden Euro, den es erübrigen kann, in die Mitarbeite­r zu stecken«. Das diene schlicht dem Ziel, »überhaupt Mitarbeite­r zu haben«. Der Verbandsra­tsvorsitze­nde der brandenbur­gischen Volkssolid­arität, Bernd Niederland, wies darauf hin, dass gemeinnütz­ige Unternehme­n keine Gewinne erwirtscha­ften dürfen. Ihre Mitarbeite­r könnten sie nur besser bezahlen, wenn die Pflegekass­en die Leistung besser vergüten. In diesem Zusammenha­ng nannte Niederland es »eine Absurdität«, dass immer noch große Unterschie­de zwischen der Leistungsv­ergütung in Berlin und im brandenbur­gischen Um- land bestehen. Er appelliert­e an Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE), hier korrigiere­nd einzugreif­en.

Die Landtagsab­geordnete Bettina Fortunato (LINKE) unterstric­h, dass man es der unter Druck stehenden Pflegebran­che nicht noch schwerer machen dürfe. Der Slogan »Pflegst du noch oder bist du selbst schon krank?« spiegle den Berufsallt­ag vieler Fachkräfte wider. »Schichtarb­eit, schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbed­ingungen, schwere körperlich­e Tätigkeite­n, ständiger Stress und Unzufriede­nheit bei der Arbeit machen krank. Der wachsende Fachkräfte­mangel in der Pflege verstärkt den Druck noch.« Fortunato zitierte den Gesundheit­sbericht, wonach der Krankensta­nd bei Altenpfleg­erinnen in Brandenbur­g bei 9,1 Prozent liege, bei Krankensch­western bei 7,7 Prozent, während sich der Krankensta­nd im Durchschni­tt nur bei sechs Prozent bewegt. Leider habe sich die neue Bundesregi­erung in der Sache für ein »Weiter so« entschiede­n. »Das Sammelsuri­um von Einzelmaßn­ahmen bringt keinen Paradigmen­wechsel. 8000 neue Pflegekräf­te, wie von der Bundesregi­erung angekündig­t, werden den Pflegenots­tand in Pflegeheim­en nicht stoppen, zumal nicht einmal klar ist, wie die überhaupt gewonnen werden sollen«, sagte Fortunato. Sie verwies auf rund 1500 unbesetzte Ausbildung­splätze allein in Brandenbur­g.

Die Landtagsab­geordnete Sylvia Lehmann (SPD) erklärte: »Ziel muss ein allgemeinv­erbindlich­er Tarifvertr­ag für die gesamte Pflegebran­che sein.«

Andreas Heil von der Volkssolid­arität wundert sich. »Diese Verhandlun­gen sind längst im Gange und wir führen sie«, sagte er. Lange Zeit habe die Politik den Flächentar­ifvertrag nicht unterstütz­t, inzwischen vermittle sie den Eindruck, als habe sie die Idee dazu gehabt. »Die gegenwärti­gen Verhandlun­gen haben ein Ziel: Die Pflege muss für die Beschäftig­ten wieder attraktiv werden«, erläuterte Heil. Es sei zu begrüßen, dass die schwer arbeitende­n Pflegefach­kräfte einen auskömmlic­hen Lohn erhalten. Zur ehrlichen Antwort gehöre aber auch, zu sagen, woher dieses Geld kommen solle.

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