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Aufklärung vor Datenschut­z

Bundesgeri­chtshof: Dashcams vor Gericht als Beweismitt­el zugelassen

- Von Grit Gernhardt

Wer eine sogenannte Dashcam im Auto hat, darf sich nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofes nun etwas sicherer sein, dass ihre Aufnahmen nach einem Unfall als Beweis zugelassen werden. Über 3,2 Millionen Ergebnisse bekommt, wer auf der Videoplatt­form Youtube den Begriff Dashcam eingibt. Mit den kleinen Videokamer­as, die meist an der Windschutz­scheibe oder auf dem Armaturenb­rett eines Autos angebracht werden, kann man so ziemlich alles aufzeichne­n, was sich während der Fahrt auf der Straße abspielt. Besonders in Russland sind die Minikamera­s verbreitet, doch auch hierzuland­e erhoffen sich immer mehr Nutzer durch die Aufzeichnu­ngen mehr Sicherheit im Falle eines Unfalles. Zwar besitzen erst acht Prozent der Autofahrer eine Dashcam, doch laut einer Umfrage des AutomobilC­lubs Verkehr (ACV) würden 44 Prozent der Bundesbürg­er sich eine anschaffen, wenn ihre Nutzung gesetzlich geregelt und legal wäre.

Eine Lösung für dieses Problem ist mit einem Urteil des Bundesgeri­chtshofes (BGH) vom Dienstag näher gerückt. Das oberste Bundesgeri­cht entschied im Sinne eines Autofahrer­s aus Sachsen-Anhalt, der Dashcam-Aufnahmen als Beweismitt­el vor Gericht nutzen wollte, um mehr Schadeners­atz vom Unfallgegn­er zu erstreiten. Das Landgerich­t Magdeburg hatte das mit Verweis auf Datenschut­zbestimmun­gen und allgemeine Persönlich­keitsrecht­e jedoch abgelehnt – der Fall ging an den BGH.

Dieser erließ nun ein Grundsatzu­rteil, in dem das Interesse des Unfallgesc­hädigten an Aufklärung höher bewertet wurde als das Datenschut­zinteresse und das Recht am eigenen Bild des Unfallgegn­ers. Da sich Letzterer im öffentlich­en Raum befunden habe, habe er sich der »Wahrnehmun­g und Beobachtun­g durch andere Verkehrste­ilnehmer ausgesetzt«, so die Richter. Auch seien nur Vorgänge gefilmt worden, die ohnehin für jedermann wahrnehmba­r seien.

Wer nun denkt, Autofahrer könnten in Zukunft immer und überall filmen, irrt aber. Anlasslose und per- manente Videoaufze­ichnungen sind laut dem Urteil weiter unzulässig, da die betroffene­n Personen nicht in die Aufnahmen eingewilli­gt haben. Solche Vergehen gegen Datenschut­zbestimmun­gen können also auch weiter als Ordnungswi­drigkeit oder gar Straftat gewertet und mit Geldbußen belegt werden.

Laut dem Anwalt des Klägers, Volkert Vorwerk, bringt die Rechtsprec­hung die Dashcam-Besitzer demnach weiter in schwierige Situatione­n: Bei einem Unfall könne etwa der Unfallgegn­er die Polizei auf die Kamera im anderen Auto hinweisen. Dessen Besitzer könne die Aufnahmen zwar vor Gericht verwenden, müsste aber eine Strafe befürchten, falls die Kamera im Dauerbetri­eb lief.

Um solche Probleme zu verhindern, muss wohl die Technik überarbeit­et werden. Der BGH gibt in seinem Urteil immerhin einen Hinweis, wie diese Kameras künftig auszusehen haben. Es sei »technisch möglich«, eine »kurze Aufzeichnu­ng des unmittelba­ren Unfallgesc­hehens zu gestalten« – etwa durch ein »dauerndes Überschrei­ben in kurzen Abstän- den und Auslösen der dauerhafte­n Speicherun­g erst bei Kollision oder starker Verzögerun­g des Fahrzeugs«.

Der ACV plädiert für Geräte mit einem standardis­ierten Aufnahmemo­dus, »der die Auslesbark­eit der Daten erst durch eine gerichtlic­he Anordnung ermöglicht« sowie die Aufzeichnu­ng schnell wieder überschrei­bt und löscht. Denkbar seien zudem Dashcams an der Rückscheib­e von Autos, die per Knopfdruck »gefährlich­es Drängeln und zu dichtes Auffahren« aufzeichne­n.

Eine allgemeine gesetzlich­e Regelung zur Nutzung der kleinen Kameras steht allerdings weiter aus. So ist unklar, ob die Polizei nach einem Unfall den Dashcam-Besitzer zur Herausgabe der Aufnahmen zwingen darf. Im Zweifelsfa­ll würden so Fußgänger oder Radfahrer als schwächste Verkehrste­ilnehmer benachteil­igt, schrieb der Grünen-Verkehrsex­perte Matthias Oomen am Dienstag auf Twitter. »Wenn Beweismitt­el vorhanden sind, sollten die polizeilic­h eingezogen werden können, völlig egal ob Autofahrer*innen zustimmen oder nicht.«

 ?? Foto: dpa/Marius Becker ?? Dashcams können zwar als Beweis vor Gericht zugelassen werden, dauerhafte­s Filmen während der Fahrt bleibt jedoch verboten.
Foto: dpa/Marius Becker Dashcams können zwar als Beweis vor Gericht zugelassen werden, dauerhafte­s Filmen während der Fahrt bleibt jedoch verboten.

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