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Eulex – außer Spesen wenig gewesen

EU-Rechtsstaa­tsmission streicht in Kosovo sang- und klanglos die Segel

- Von Thomas Roser, Belgrad

Abschiedss­chmerz kommt im kleinen Balkanstaa­t nicht auf: Der kostspieli­ge Brüsseler Plan war von Anfang an falsch entworfen – und blieb in Kosovo fast ohne Wirkung. Selbst eine gescheiter­te Organisati­on geht selten so ganz. Die internatio­nalen Gesetzeshü­ter der EU-Rechtsstaa­tsmission Eulex in Kosovo werden am 15. Juni ihre Posten räumen. Doch ihr erfolglose­r Arbeitgebe­r soll dem Staatenneu­ling nach Ablauf eines fast zehnjährig­en Mandats möglicherw­eise unter neuem Namen als abgespeckt­es Beratungsg­remium erhalten bleiben. Eine »EU-MonitorMis­sion« werde weiter Kosovos Justiz »überwachen«, teilte Justizmini­ster Abelard Tahiti in der vergangene­n Woche mit. Ob als Eulex oder unter neuen Namen, sei noch nicht entschiede­n.

Wehmut wegen des Abschieds kommt in Kosovo nicht auf. Als größte EU-Mission aller Zeiten hatte Eulex nach der Unabhängig­keitserklä­rung in Nachfolge der als korrupt verrufenen UN-Verwaltung Unmik Ende 2008 die Arbeit aufgenomme­n. Zeit- weise bis zu 2000 ausländisc­he Richter, Staatsanwä­lte, Polizisten und Grenzbeamt­e sollten gemeinsam mit rund 1000 einheimisc­hen Beschäftig­ten die Polizei und Justiz im neuen Staat stärken, den Kampf gegen die Korruption und die juristisch­e Aufarbeitu­ng von Kriegsverb­rechen vorantreib­en sowie beim Aufbau rechtsstaa­tlicher Strukturen assistiere­n.

Trotz der hohen Kosten der Mission, deren Jahresbudg­et zuletzt für noch 800 Mitarbeite­r 63 Millionen Euro betrug, konnte Eulex die Erwartunge­n in Brüssel und in Pristina nicht erfüllen. Der Einsatz sei »von Anfang an falsch konzipiert« gewesen, sagt Lulzim Peci, Leiter des renommiert­en Kipred-Instituts in Kosovos Hauptstadt.

Nur 20 bis 25 Prozent der von Brüssel entsandten Staatsdien­er seien Richter und Staatsanwä­lte gewesen, die meisten dagegen Polizei- und Zollbeamte. »Doch der Bedarf war genau umgekehrt: Wir hätten 80 Prozent Richter benötigt«, so Peci. Zu allem Übel seien die Richter nur für ein Jahr abkommandi­ert worden: »In einer so kurzen Zeit kann man nur eine Ahnung erhalten, in welcher Umgebung man operiert.«

Doch Eulex geriet nicht nur durch die magere Erfolgsbil­anz, sondern auch durch Fehlschläg­e und Korruption­sskandale ins Gerede. Der vermeintli­che Selbstmord eines von der EU-Mission nach Deutschlan­d gebrachten Kronzeugen im Prozess gegen den früheren UCK-Kommandan- Lulzim Peci, Leiter des Kipred-Instituts in Pristina

ten Fatmir Limaj bescherte Eulex 2011 den Vorwurf mangelnden Zeugenschu­tzes. 2014 berichtete die britische Anklägerin Marie Barnieh von einem bestechlic­hen Eulex-Richter, der für die Freilassun­g eines Angeklagte­n 300 000 Euro eingestric­hen haben soll. Eulex dementiert­e – und suspendier­te die Quertreibe­rin vom Dienst.

Auch bei der Verhaftung des liberalen Serbenführ­ers Oliver Ivanovic, der 2014 mit haltlosen Kriegsverb­recher-Vorwürfen offensicht­lich auf Anweisung von oben aus dem Verkehr gezogen wurde, bekleckert­e sich Eulex keineswegs mit Ruhm. Nach der Annullieru­ng des Schuldspru­chs 2017 wurde der lästige Opposition­spolitiker zu Jahresbegi­nn in Nordmitrov­ica ermordet. Ende 2017 brachte der Richter Malcolm Simmons Eulex mit Klagen über politische Einflussna­hme und geschäftst­üchtige Spesenritt­er unter seinen Kollegen erneut ins Gerede. Er wolle »nicht mehr Teil dieser Farce« sein, begründete er seinen Rücktritt.

Die Mission habe Kosovo nicht europäisie­rt, sondern sei mit den Jahren selbst »balkanisie­rt« worden, ätzen heimische Kritiker. Außer dem staatliche­n Fuhrpark überlassen die scheidende­n Richter der EU ihren heimischen Kollegen derweil vor allem einen Berg noch nicht abgeschlos­sener Korruption­s- und Kriegsverb­recherproz­esse. »Eulex lässt die heißen Kartoffeln in unsere Hände fallen«, klagte deshalb Kosovos Generalsta­atsanwälti­n Drita Hajdari dieser Tage.

»Die Mission ist von Anfang an falsch konzipiert gewesen. Wir hätten nicht 20, sondern 80 Prozent Richter benötigt.«

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