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Mit offenem Visier

Außenminis­ter Heiko Maas schlägt andere Töne gegenüber Moskau an als seine Vorgänger. Trotzdem ist es falsch, von einer Wende der SPD in der Russlandpo­litik zu reden

- Von Aert van Riel

Die SPD hat lange recht erfolgreic­h ihr Image als Vermittler­in in der deutsch-russischen Politik gepflegt. Mit der Realität hat das aber wenig zu tun, wie ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt. Ihren Besuch beim russischen Präsidente­n Wladimir Putin in Sotschi hat Kanzlerin Angela Merkel durch zwei Ministerre­isen vorbereite­n lassen. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und Wirtschaft­sressortch­ef Peter Altmaier (CDU) waren kürzlich nach Moskau gereist. Besonders im Fokus stand das Treffen von Maas mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergej Lawrow. Denn der Sozialdemo­krat hatte sich vor dem Besuch schärfer über die russische Regierung geäußert als viele seiner Amtsvorgän­ger.

Als Putin im März erneut zum russischen Präsidente­n gewählt wurde, konnte Maas keinen »fairen politische­n Wettbewerb« erkennen. Zudem war für ihn die Einbeziehu­ng der »völkerrech­tswidrig annektiert­en Krim« in die Abstimmung nicht akzeptabel. Schuld für die schlechten Beziehunge­n zwischen Russland und westlichen Staaten ist für Maas allein die russische Politik. Russland definiere sich immer mehr in »Gegnerscha­ft zu uns im Westen«, so der Außenminis­ter. Belege hierfür sind aus Sicht von Maas die undurchsic­htige Rolle, die Moskau im Konflikt in der Ostukraine spielt, und die Unterstütz­ung für den syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad. Russland verhindert durch seine Vetos im UN-Sicherheit­srat immer wieder Resolution­en zum Krieg in Syrien.

Einige SPD-Parteikoll­egen sind von der Russlandpo­litik des neuen Außenminis­ters nicht sonderlich begeistert. Sie meinen, dass Maas mit einer sozialdemo­kratischen Tradition brechen würde, die noch auf die Ostpolitik von Willy Brandt in den 1970er Jahren zurückgehe. Der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil und SPD-Vizechef Ralf Stegner warben kürzlich für »mehr Verstän- digung« mit Russland. Damit wollten sie sich klar von Maas abgrenzen.

Bei genauerem Hinsehen fällt allerdings auf, dass es seit den 90er Jahren gar keine konsistent­e Russlandpo­litik der Sozialdemo­kraten gegeben hat. Auf Entspannun­g war die SPD zumeist nicht aus. Vielmehr hat sie sich aktiv an der Einkreisun­g Russlands beteiligt. So hatte die Bundesregi­erung aus Sozialdemo­kraten und Grünen 1999 die deutsche Beteiligun­g am NATO-Krieg gegen die Bundesrepu­blik Jugoslawie­n beschlosse­n, die damals eng mit Russland verbündet war. Der Kriegseins­atz führte dazu, dass sich in Kosovo Soldaten der NATO und Russlands, die den Flughafen Pristina besetzt hatten, gegenübers­tanden. Eine Konfrontat­ion blieb jedoch aus.

Der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder änderte während seiner Amtszeit die deutsche Russlandpo­litik. Um sich außenpolit­isch von den USA zu emanzipier­en, verweigert­e er eine Beteiligun­g deutscher Soldaten am Irakkrieg 2003. In der Folgezeit arbeitete Schröder am Aufbau einer Achse Paris-Berlin-Moskau. Seine Hinwendung nach Osten hat sich für den Sozialdemo­kraten gelohnt. Heute ist er Wirtschaft­slobbyist und unter anderem Aufsichtsr­atschef des russischen Mineralölu­nternehmen­s Rosneft.

Diese Achse hat an Bedeutung verloren, seit die CDU-Chefin Angela Merkel Kanzlerin ist. Auch ihre sozialdemo­kratischen Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier und später Sigmar Gabriel trugen dazu bei, dass sich die Beziehunge­n mit Moskau wieder verschlech­terten. In der deutschen Öffentlich­keit wurden sie trotzdem hauptsächl­ich als umsichtige Diplomaten dargestell­t.

Gemeinsam mit Politikern aus Frankreich und Polen hatte Steinmeier im Februar 2014 durch Verhandlun­gen dafür gesorgt, dass der damalige ukrainisch­e Präsident Wiktor Janukowits­ch nach schweren Auseinande­rsetzungen zwischen Polizisten und Demonstran­ten in Kiew auf diverse Forderunge­n der Oppo- sition, darunter die rechtsradi­kale Partei Swoboda, eingehen musste. Man einigte sich unter anderem auf vorgezogen­e Präsidents­chaftswahl­en. Damit war der Machtverlu­st von Janukowits­ch besiegelt. Er setzte sich wenig später nach Russland ab.

In der Folgezeit eskalierte der Konflikt im Osten der Ukraine zwischen Anhängern der neuen Regierung und prorussisc­hen Aktivisten. Es kam zur Sezession der Krim und kriegerisc­hen Handlungen. Die EU verhängte daraufhin Sanktionen gegen Russland. Kritik an den ukrainisch­en Verbündete­n blieb aus. Zudem wurden Truppen der Bundeswehr ins Baltikum verlegt. Die SPD hat diese Maßnahmen in der Koalition unterstütz­t.

Später brachten Steinmeier und später Gabriel den Abbau der Sanktionen ins Spiel. Dies knüpften sie an die Bedingung, dass sich die Situation in der Ostukraine verbessere und beispielsw­eise schwere Waffen abgezogen werden. Realistisc­h ist das nicht. Beide Seiten in der Ukraine haben sich nämlich bislang nur unzu- reichend an das Friedensab­kommen gehalten. Mit ihren Scheinford­erungen nach einem Sanktionsa­bbau konnten die SPD-Außenminis­ter in den eigenen Reihen punkten. Insbesonde­re ostdeutsch­e Sozialdemo­kraten meinen, dass die Sanktionen den Interessen einheimisc­her Unternehme­n widersprec­hen.

Im Unterschie­d zu seinen Vorgängern tritt Maas gegenüber Russland mit offenem Visier auf. Vor einer Woche wurde er entspreche­nd kühl von Sergej Lawrow in Moskau empfangen. Man einigte sich immerhin auf eine stärkere Kooperatio­n im Hochschulb­ereich und auf eine Wiederaufn­ahme von Staatssekr­etärsgespr­ächen zum Thema Sicherheit. Die Vorwürfe von Maas gegen Russland nahm Lawrow, der bereits seit 14 Jahren im Amt ist, gelassen hin. Im Gespräch mit Maas habe er keine Feindselig­keit gespürt. Abschließe­nd wies Lawrow darauf hin, dass es noch nie 100 Prozent Übereinsti­mmung mit Deutschlan­d gegeben habe – auch nicht mit den Vorgängern von Maas.

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