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Südosteuro­pa drängt zum Euro

Rumänien, Bulgarien und Kroatien kommen bald in die Währungsun­ion

- Von Thomas Roser, Belgrad

Die Eurozone steht in Südosteuro­pa vor einer Ausweitung: Die jüngsten EU-Mitglieder Bulgarien, Kroatien und Rumänien setzen trotz großen Wohlstands­gefälles auf den Euro. Ausgerechn­et die drei jüngsten EUMitglied­er zeigen den größten Eifer, sich stärker in den Europäisch­en Binnenmark­t zu integriere­n. Die Übernahme der Gemeinscha­ftswährung wäre für Kroatien »ein Segen«, begründete Premier Andrej Plenkovic in der vergangene­n Woche die Verabschie­dung einer Strategie, die die Einführung des Euro innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre vorsieht. Bulgarien und Rumänien könnten dem Adriastaat beim Wechsel zur EU-Währung gar noch zuvorkomme­n. Während mit neuen EU-Mitglieder­n auf absehbare Zeit kaum zu rechnen ist, steht die Eurozone vor einer Ausweitung.

19 Staaten zählt bislang die Eurozone – als letzter trat 2015 Litauen bei. Zwar hatte die EU-Kommission im letzten Jahr hoffnungsf­roh 2025 als Zieldatum genannt, an dem alle EU-Partner den Euro eingeführt haben sollten. Doch bei den meisten EUStaaten außerhalb der Eurozone ist die Begeisteru­ng für die eigentlich verpflicht­ende Euro-Übernahme eher gehemmt.

Dänemark und das ohnehin aus der EU ausscheide­nde Großbritan­nien hatten sich schon früh das Sonderrech­t zugesicher­t, auf die Euro-Einführung verzichten zu können. Auch Schweden, wo 2003 ähnlich wie in Dänemark eine Mehrheit gegen den Beitritt zur Eurozone stimmte, hat sich eine von der EU-Kommission tolerierte Auszeit von der Euro-Einführung genommen. Nach ihrem EU-Beitritt 2004 hatten zwar Polen, Tschechien und Ungarn eine baldige Übernahme der Gemeinscha­ftswährung angekündig­t. Doch spätestens seit der Finanzkris­e und der Problemsit­uation in Griechenla­nd scheint das ohnehin auf nationale Eigenständ­igkeit pochende Visegrad-Trio vorläufig alle Euro-Pläne auf den Sankt-Nimmerlein­s-Tag verschoben zu haben.

Ganz anders die EU-Mitglieder im Südosten. Bulgarien könnte 2021 der 20. EU-Staat werden, der den Euro einführt. Mit einer Staatsschu­ld von lediglich 25,4 Prozent und einem Haushaltsd­efizit von nur 0,9 Prozent unterschre­itet der Balkanstaa­t im Gegensatz zu den meisten Eurozonenm­itgliedern die einst in Maastricht festgelegt­en Harmonisie­rungskrite­rien einer Verschuldu­ngsquote von maximal 60 Prozent und eines Defizits von drei Prozent problemlos. Auch Rumänien, das den Euro für 2022 anvisiert, erfüllt die Konvergenz­kriterien mit einer Staatsschu­ld von 35 Prozent und einem Defizit von 2,9 Prozent. Kroatien weist hingegen trotz eines leichten Haushaltsü­ber- schusses von 0,8 Prozent eine Verschuldu­ngsrate von 78 Prozent auf, die über der Maastricht-Grenze liegt.

»Bulgarien wird das nächste Eurozonenm­itglied, kein Zweifel«, verkündete EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici Ende April in Sofia: »Aber wir dürfen nichts überstürze­n.« Tatsächlic­h sind es trotz der weitgehend­en Erfüllung der formalen Kriterien nicht nur die Krisenerfa­hrungen mit Griechenla­nd, Spanien und Portugal, die zu Skepsis gegenüber der baldigen Euro-Ausweitung führen.

Das Wohlstands­gefälle der drei neuesten EU-Mitgliedst­aaten zu den reicheren Länder der Union ist noch immer immens. Das Bruttoinla­ndprodukt Bulgariens betrug 2016 gerade mal 49 Prozent des EU-Mittels. Auch Rumänien (58 Prozent) und Kroatien (60 Prozent) liegen unter dem Lebensstan­dard der anderen EU-Partner: Weder bei Löhnen und Renten noch bei den rechtsstaa­tlichen Verhältnis­sen lägen die drei Länder derzeit mit dem Euroraum gleichauf. Wirtschaft­skommissar Moscovici plädiert darum nicht nur bei Bulgarien für eine »sorgfältig­e« Vorbereitu­ng auf die Eurozone: »Dem Euro beizutrete­n, muss eine Bereicheru­ng sein, kein Schock.«

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Foto: AFP/Dimitar Dilkoff In der Schlange warten: Ein Change-Büro in Sofia

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