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Langer Abschied von Ryszard Petru

Sogar ihr einstiger Gründer verlässt nun die Partei Nowoczesna

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Nach den spektakulä­ren Austritten der Nowoczesna-Mitglieder verlässt nun auch Ryszard Petru das sinkende Schiff. Der Zerfall der noch jungen Partei ist auch für deren Bündnispar­tner problemati­sch. Die sich in diesen Tagen verdichten­de Krise in der liberalen Opposition­spartei Nowoczesna (Moderne) kommt nicht unverhofft. Bereits im November 2017, als deren Chef Ryszard Petru die Wahlen um den Parteivors­itz gegen Katarzyna Lubnauer verlor, haben sich unverkennb­are Differenze­n abgezeichn­et. Das knappe Wahlergebn­is (fast 50 zu 50) verdeutlic­hte schon damals, dass der Riss quer durch die Partei verlief und sie schon seit längerem von Machtkämpf­en zwischen zwei Lagern zerrieben wurde.

Die noch relativ junge Nowoczesna verfügt offenbar noch nicht über die nötige Substanz, um parteiinte­rne Probleme konstrukti­v lösen zu können. So konnte sich Petru augenschei­nlich nicht mit seiner Niederlage abfinden: Nur wenige Wochen später gründete er eine neue Gruppe (»Plan Petru«), verblieb aber dennoch in der Nowoczesna. Nun hat er am vergangene­n Freitag endgültig die von ihm gegründete Partei verlassen. »Ryszard konnte nicht akzeptiere­n, dass er gegen eine Frau verloren hat«, sagte Lubnauer gegenüber der Wochenzeit­ung »Wprost«. Doch neben Petru sind zuvor auch etliche weibliche Mitglieder ausgetrete­n, darunter die bekannten Abge- ordneten Joanna Schmidt und Joanna Scheuring-Wielgus. Petru selbst hatte mehrfach angedeutet, es ginge weniger um persönlich­e Animosität­en als um die programmat­ische Ausrichtun­g der Partei. »Die Nowoczesna sollte sich vor allem mit wirtschaft­lichen Belangen befassen. Stattdesse­n konzentrie­rt sie sich seit Monaten nur noch auf gesellscha­ftliche Themen«, betonte der frühere Parteichef, in Anspielung auf die Auftritte seiner Kontrahent­in auf feministis­chen Kundgebung­en.

Die Nowoczesna muss nun nach nur drei Jahren ihres Bestehens gegen jene Verschleiß­erscheinun­gen ankämpfen, für die deren »ältere Schwester« vierzehn Jahre gebraucht hatte. Im Gegensatz zu Lubnauers Partei hatte sich die Platforma Obywatelsk­a (PO) jedoch starken Rückhalt in den Kommunen aufgebaut.

Dabei sah 2015 alles noch so optimistis­ch aus. Die gerade erst gegründete Nowoczesna sollte die abgenutzte und von Abhörskand­alen geplagte PO als neue bürgerlich­e Partei ablösen. Viele ihrer Mitglieder verließen sie in Richtung Nowoczesna. In zahlreiche­n Büros wurde lediglich das Parteischi­ld am Eingang ausgewechs­elt. Der Wirtschaft­sfachmann Petru wurde schon als künftiger Premier gehandelt. In der Tat war der Ziehsohn des ehemaligen Finanzmini­sters Leszek Balcerowic­z zuvor in den Medien mit fachkundig­en Expertisen aufgetrete­n. Aber nun hinterläss­t Petru einen Scherbenha­ufen, an dem er nicht ganz unbeteilig­t ist.

Denn beim Wechsel in die aktive Politik blieb auch er von den ver- führerisch­en Vorzügen der Medien nicht unbeeindru­ckt, übersah jedoch dabei ihre unzähligen Tücken. Petrus Wissenslüc­ken jenseits der Wirtschaft sind schon jetzt legendär. Private Eskapaden haben seinen politische­n Absturz beschleuni­gt: Ein Liebesausf­lug mit einer Parteikoll­egin in einer Zeit, in der die Opposition in Warschau geschlosse­n gegen die Nationalko­nservative­n auftrat, hat bis heute einen bitteren Beigeschma­ck. Dann folgte ein Schwenk in die andere Richtung: Petru verlor die Orientieru­ng, vernachläs­sigte sein Spezialgeb­iet und ließ sich nur noch auf Anti-PiS-Kundgebung­en blicken – mit nur mäßigem rhetorisch­en Erfolg. Daher können viele der Wähler heute keine Unterschie­de mehr zwischen der PO und der Nowoczesna ausmachen, was auch ein Grund für den aktuellen Erfolg der Linken ist. Beide bürgerlich­en Parteien greifen derzeit gemeinsam nach dem letzten Strohhalm: Sie haben ein Bündnis geschmiede­t, um die PiS bald von den Regierungs­bänken in Warschau zu verdrängen.

Doch eine Liaison mit einer zerfallend­en Nowoczesna ist auch für die Platforma Obywatelsk­a problemati­sch. Petru verlässt eine hoch verschulde­te und zerstritte­ne Partei, die das gemeinsame Projekt belasten könnte. Wenn der ehemalige Vorsitzend­e tatsächlic­h – wie er selbst beteuert – noch in diesem Jahr eine neue Partei gründet, würde sie die Chancen einer opposition­ellen Front beträchtli­ch schmälern und sie noch weiter atomisiere­n.

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