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Bund hat keine Ahnung von Bomben im Meer

LINKE: Waffenfirm­en sollen Kriegsaltl­asten beseitigen

- Von Simon Poelchau

Es liegen noch immer Tausende Weltkriegs­bomben in Nord- und Ostsee. Das ist auch für den Ausbau der Windkraft auf hoher See problemati­sch. Der Fund, auf den die Besatzung eines Sicherungs­schiffs des Windparks Godewind 2 Mitte Januar vergangene­n Jahres 50 Kilometer nördlich der Nordseeins­el stieß, jagte ihr vermutlich einen Riesenschr­ecken ein: Es war eine im Meer treibende Ankertaumi­ne aus dem Zweiten Weltkrieg – mit einer Explosions­kraft von 150 bis 250 Kilogramm Sprengstof­f. Für die Mannschaft ging das Erlebnis noch glimpflich aus – die Mine wurde tags darauf fachgerech­t auf einer Sandbank gesprengt. Doch noch immer liegen und schwimmen etliche Torpedos, Bomben, Granaten, Minen und andere Munitionst­eile aus den Weltkriege­n in den Gewässern vor Deutschlan­d.

»Die Kampfmitte­l in der Nord- und Ostsee sind weiter ein riesiges Problem, die Folgen vom Ersten und Zweiten Weltkrieg sind für Mensch und Natur noch heute eine reale Bedrohung«, sagt Lorenz Gösta Beutin, klimapolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag. Trotzdem sei das Problem von der Politik jahrzehnte­lang unter den Teppich gekehrt, eine systematis­che Räumung nicht angegangen worden. Seine Fraktion wollte von der Großen Koalition wissen, wie viele Weltkriegs­bomben noch in den Küstengewä­ssern liegen. In der Antwort des Umweltbund­esminister­iums, die »neues deutschlan­d« vorliegt, heißt es: »Der Bundesregi­erung liegen keine aktuellen Angaben zur Gesamtmeng­e der in Nord- und Ostsee lagernden Munition vor.« Die letzte Schätzung stammt von 2011. Demnach schwimmen 1,3 Millionen Tonnen konvention­elle Altmunitio­n in der deutschen Nordsee und 300 000 Tonnen in der Ostsee. Hinzu kommen über 5000 Tonnen chemische Altmunitio­n. Allein 2017 wurden 2688 Kampfmitte­l gefunden.

Beutin erhebt wegen der mangelhaft­en Datenlage Vorwürfe gegenüber der Bundesregi­erung: »Die Seekarten sind bis heute nicht auf dem neuesten Stand.« In den 1990ern seien Kampfmitte­lvorkommen sogar aus den Karten gelöscht worden, um das Problem kleinzured­en.

Insgesamt 28-mal wurden laut dem Jahresberi­cht 2017 des Bund-LänderExpe­rtenkreise­s »Munition im Meer« Kampfmitte­l in Rahmen von Offshore-Vorhaben gefunden. Für den Windkrafta­usbau sind Bomben und Minen laut dem LINKE-Politiker nicht nur gefährlich. »Die Beseitigun­g verzögert die Errichtung von Windkraftp­arks unnötig«, so Beutin. Dabei würden Millionenk­osten für die Kampfmitte­lräumung über die Netzentgel­te auf die Stromkunde­n umgelegt. Beutin sieht aber andere in der Pflicht: »Es sind die Rüstungsun­ternehmen, die für die Entsorgung der Altlasten ihrer tödlichen Produkte zur Rechenscha­ft gezogen werden müssen.«

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