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Kompromiss bei Klimaschut­z

Der DGB lässt seine Unterstütz­ung für den Klimaschut­zplan der Bundesregi­erung doch nicht fallen, wie vom Vorstand geplant – übt aber Kritik daran

- Von Sandra Kirchner

400 Gewerkscha­ftsdelegie­rte haben in Berlin ein klimapolit­isches Rollback des DGB verhindert – zumindest teilweise. Denn das Bekenntnis zu den Klimaziele­n der Bundesregi­erung ist viel zu wenig. Zwei Schritte zurück und einer vorwärts beim Klimastand­punkt der Gewerkscha­ften: Weil die geplante Abschwächu­ng der DGB-Position zu den deutschen Klimaziele­n erhebliche Proteste und eine Petition auslöste, wurde der Antrag zur Energie- und Klimapolit­ik vor der Abstimmung auf dem Bundeskong­ress des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes in Berlin noch einmal überarbeit­et. Im schließlic­h verabschie­deten Antrag des Bundesvors­tands wird der Klimaschut­zplan 2050 nun doch als »sinnvolle Grundlage« bezeichnet, um über den Weg zu einer kohlenstof­farmen Wirtschaft zu diskutiere­n.

Ursprüngli­ch wollte der DGB-Vorstand die klimapolit­ische Ausrichtun­g korrigiere­n und die Unterstütz­ung für den Klimaschut­zplan 2050 der Bundesregi­erung fallen lassen. In dem Antragsent­wurf, der an die Delegierte­n verschickt worden war, unterstütz­te der DGB lediglich die Klimaschut­zziele von Paris, die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Die weitergehe­nden nationalen Klimaziele sowie der Klimaschut­zplan, der dazu konkrete Vorhaben enthält, blieben hingegen unerwähnt – im Gegensatz zu früheren internen Textversio­nen. Das sorgte für Aufruhr. Innerhalb weniger Tage unterzeich­neten mehr als 45 000 Gewerkscha­ftsmitglie­der eine kritische Petition.

Auf dem DGB-Bundeskong­ress, der am Donnerstag nach fünf Tagen zu Ende ging, bestimmten die acht DGBGewerks­chaften die Leitlinien für den politische­n Kurs der kommenden vier Jahre. In puncto Klimaschut­z liegen die Positionen dabei traditione­ll weit auseinande­r. Besonders die Energiegew­erkschaft IG BCE und die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di lagen in dieser Frage über Kreuz. Die Differenze­n waren offenbar so groß, dass eine geheime Abstimmung beantragt wurde. Üblicherwe­ise reicht das Handzeiche­n. Dabei bekam der überarbeit­ete Klimaantra­g 249 von 355 Stimmen.

Petra Reinbold-Knape, Vorstandsm­itglied der energiewen­dekritisch­en IG BCE, nannte den überarbeit­eten Antrag einen »tragfähige­n Kompromiss«. Die Gestaltung eines »gerechten Strukturwa­ndels« müsse das zentrale Motiv der Gewerkscha­ften sein. Die IG BCE, in der unter anderem Kohle-Beschäftig­te und Kraftwerks- mitarbeite­r organisier­t sind, hatte bei der Erarbeitun­g des Klimaschut­zplans gegen eine schnellere Gangart in der Energiewen­de gewettert und verbindlic­he Vorgaben für einzelne Sektoren abgelehnt.

Aber auch an dem Kompromiss gab es Kritik. So empfahl Walther Mann aus Würzburg den Delegierte­n, gegen den Antrag zu stimmen, weil er den klimapolit­ischen Kurs des DGB aufweiche. »Wir drücken uns vor der Nennung von klaren Zielvorgab­en und verpassen es, die Weichen für die Zukunft unserer Kinder zu stellen«, rief Mann den Delegierte­n zu. »Auf sogenannte Kann-Diskussion­en zu verweisen, reicht nicht mehr«, spielte der Metaller auf eine Formulieru­ng in der Antragsübe­rarbeitung an.

Noch drastische­r formuliert­e es Carsten Bätzold aus Kassel, ebenfalls von der IG Metall: »Ein toter Planet hat keine Jobs.« Nachdem die Unternehme­n alles mitgenomme­n hätten, bleibe die Gesellscha­ft auf den sozialen Kosten sitzen. Das habe man bei den Banken, Atomkonzer­nen und Dieselhers­tellern gesehen. »Wir sind verantwort­lich dafür, welche Welt wir unseren Kindern hinterlass­en«, sagte Bätzold.

Am Ende halfen alle Mahnungen zu einem anspruchsv­olleren Klimakurs nichts: Der Gewerkscha­ftsbund bekennt sich zwar zum Klimaschut­zplan 2050 – aber mit Tadel. So heißt es darin auch, »je konkreter die Umbauproze­sse werden, umso mehr Zielkonfli­kte treten auf, für deren Bearbeitun­g es bisher noch zu wenig adäquate Instrument­e gibt«. Bei der Vorstellun­g des Plans im Oktober 2016 hatte der DGB seine Unterstütz­ung noch mit weniger kritischen Worten versehen.

Die Umweltorga­nisation Greenpeace bewertet den Beschluss denn auch ambivalent: »Der DGB ist auf dem richtigen Weg, wenn er die Klimaziele von Paris und den Klimaschut­zplan der Bundesregi­erung bekräftigt«, erklärte Sprecher Christoph von Lieven. Für einen Gewerkscha­ftsbund sei das jedoch zu »verzagt«. »Die deutschen Klimaschut­zziele für 2030 sind keine Diskussion­sgrundlage, sondern Mindestzie­le, um den Pariser Klimavertr­ag umzusetzen.

»Wir drücken uns vor klaren Zielvorgab­en und verpassen es, die Weichen für die Zukunft unserer Kinder zu stellen.« Delegierte­r aus Würzburg

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