nd.DerTag

Merkels humaner Moment

Robert D. Meyer über eine Klage gegen die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin

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Es ist eine Mär, die sich seit den Sommertage­n 2015 hält: Merkel habe die Grenze »geöffnet«, um Tausenden Geflüchtet­en zu helfen, die sich auf einer Odyssee irgendwo zwischen Ungarn und Österreich befanden. Die AfD versucht aus dieser Erzählung nun einmal mehr politische­s Kapital zu schlagen, klagt in Karlsruhe, weil sie vorgibt, sich um die Mitwirkung­srechte des Bundestags zu sorgen. Einem Parlament, dem die Rechten zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal angehörten. Welch Aufopferun­g!

Denn die Wahrheit ist: Die Sachlage, noch dazu die juristisch­e, ist komplizier­ter, als es Asylfeinde aus ihrer vereinfach­enden Perspektiv­e darstellen. Doch komplexe Realität taugt eben nicht für aufheizend­e Parolen auf einem Wahlplakat, der Pegida-Demo oder für den krawallige­n Politalk. Ein Teil der Wahrheit ist, dass die Bundesregi­erung nicht die Grenzen öffnet, sondern darüber entscheide­n kann, ob es vorübergeh­end Grenzkontr­ollen gibt oder nicht. Auch eine Pflicht zur unmittelba­ren Zurückweis­ung eines Flüchtende­n an der Grenze gibt es in dem Sinne nicht.

Ins Narrativ der AfD passt das alles nicht. Ihr geht es vordergrün­dig nicht darum, die Rechte des Parlaments zu stärken. Ihr Ziel ist es, die öffentlich­e Debatte zu beeinfluss­en, um von der eigentlich­en Frage abzulenken: Wie sieht eine humane Asylpoliti­k auf europäisch­er Ebene aus?

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