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Wieder im Gespräch

Deutsch-russisches Spitzentre­ffen in Sotschi / »Westi«: Trump treibt EU zur Annäherung an Moskau

- Von Klaus Joachim Herrmann

Kommen und Gehen in der Sommerresi­denz Sotschi: Premier Medwedjew, der soeben die Regierung formiert hat, geht. Kanzlerin Merkel kommt. Ihm gilt ein Glückwunsc­h, sie bekommt einen Blumenstra­uß. Es gebe keine Lösungen ohne einen Dialog, unterstric­h Russlands Präsident Wladimir Putin vor der Presse nach seinem Gespräch mit der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitagnac­hmittag in seiner Sommerresi­denz Sotschi. Die Beziehunge­n beider Staaten hätten eine eigene Dynamik und eine eigene Bedeutung. Es handele sich hier um Schlüsselp­artner.

»Wir haben ein strategisc­hes Interesse daran, gute Beziehunge­n zu Russland zu haben«, bestätigte Merkel. »Ich halte das Miteinande­r-Reden für absolut wichtig«, sagte sie. Bei allen Differenze­n gebe es »auch Themen, bei denen sind wir durchaus einer Meinung«.

Mit einem Erlass hatte der Präsident unmittelba­r zuvor die Zusammense­tzung der neuen russischen Regierung bestätigt. Noch am Eingang der Residenz im Schwarzmee­rkurort Sotschi bot Dmitri Medwedjew der soeben eingetroff­enen deutschen Kanzlerin Zusammenar­beit an.

Angela Merkel hatte aber erst einmal einiges mit dem russischen Präsidente­n zu besprechen. Im Vergleich zu US-Präsident Donald Trump sei Putin selbst angesichts komplizier­ter Beziehunge­n ein Partner, der von Merkel zu bevorzugen sei, warb das Internetpo­rtal gaseta.ru. Die Zeitung »Iswestija« verwies auf eine »AntiTrump-Stimmung« in der EU.

Es begann mit einem Blumenstra­uß. Doch schon am Vormittag informiert­e Kremlsprec­her Dmitri Peskow über einen »wichtigen Besuch in einer schwierige­n geopolitis­chen Situation«. Da war in Sotschi noch kein Wort gewechselt. Solche Gespräche dienten unter den gegenwärti­gen Bedingunge­n dem Uhrenvergl­eich bei vielen internatio­nalen Fragen wie der Lage in Syrien oder der Ukraine, erklärte er. Hinzu käme die gemeinsame Arbeit an großen internatio­nalen Projekten wie der Erdgasleit­ung Nord Stream 2. Washington sei der Meinung, so Peskow, diese liege nicht im Interesse der EU. Das sei »eine recht interessan­te Fragestell­ung«.

Hier dürfte sich die Kanzlerin als Mittlerin bewährt haben. Die neue Gaspipelin­e am Grunde der Ostsee werde die Ukraine als Transitlan­d nicht ablösen, versichert­e Putin. »Nach dem Start für Nord Stream 2 ist nicht geplant, den Transit von Gas über die Ukraine einzustell­en.« Gaslieferu­ngen würden fortgesetz­t, »solange diese wirtschaft­lich gerechtfer­tigt sind«.

Auf den vom »Wall Street Journal« berichtete­n Erpressung­sversuch Trumps, einen Verzicht Berlins auf die Gasleitung mit der Aufnahme von Verhandlun­gen mit der EU über eine neue Handelsver­einbarung zu belohnen, erinnerte man in der Ukraine. Das dortige Internetpo­rtal »Telegraf« verwies darauf, dass in politische­n Kreisen der USA über Gegenmaßna­hmen gesprochen werde, um amerikanis­che Interessen zu schützen. Merkel werde aber vom Bau der Leitung nicht absehen wollen.

Eine Erinnerung an das gegen die Sowjetunio­n in den 1960er Jahren verhängte Röhren-Embargo blieb in diesem Zusammenha­ng der einflussre­ichen Internetze­itung »gaseta.ru« unter der Schlagzeil­e »Röhren und Kriege« vorbehalte­n. Damals beugte sich Bonn und stoppte auf Druck der USA und der NATO deutsche Lieferunge­n. Nicht mehr so beim Erdgas- Röhren-Geschäft 1982/1983, als die US-Regierung die Lieferung deutscher Röhren gegen Erdgas aus der Sowjetunio­n nicht mehr zu verhindern vermochte.

»Das Vorgehen Washington­s in der Weltarena treibt Europa immer stär- ker zu einer Annäherung an Russland«, kommentier­te der russische Nachrichte­nkanal »Westi«. Die USA würden in letzter Zeit »die Interessen ihrer Verbündete­n, insbesonde­re Europas, absolut ignorieren«. Die Einfuhrzöl­le für Stahl und Aluminium sowie insbesonde­re das Vorgehen gegen Iran habe Europa veranlasst, den Ton zu ändern und schließlic­h zu erklären, die USA seien »bei weitem nicht der zuverlässi­gste Partner«.

Trumps Vorgehen sei auf die Schwächung der EU gerichtet und deshalb sei es unverständ­lich, warum die EU bis heute allen transatlan­tischen Launen folge. Der harte Widerstand der Washington­er Administra­tion gegen die Erdgasleit­ung Nord Stream 2 zeige, dass sich die USA faktisch gewaltsam den Weg auf diese oder jene Märkte bahnen wollen.

Kein Zweifel, dass Russland seinen Einfluss auch andernorts zur Abwehr der US-Attacken gegen Iran nutzen wird. So verlautete aus dem Außenminis­terium in Moskau, dass die einseitige­n Sanktionen Thema eines Ministertr­effens der BRICS-Staaten am 4. Juni in Südafrika sein werden. Die Teilnehmer der nach den Anfangsbuc­hstaben ihrer Staaten benannten Vereinigun­g von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika würden sämtlich recht entwickelt­e Beziehunge­n mit der Islamische­n Republik unterhalte­n und gegen die von Washington gegen Teheran angedrohte­n Strafmaßna­hmen auftreten.

Präsident Putin und Syriens Staatschef Baschar al-Assad hatten am Vortag bei einem überrasche­nden Treffen in Sotschi zur Einleitung eines politische­n Prozesses zur Lösung des Syrien-Konflikts aufgerufen. Der »militärisc­he Erfolg« in Syrien erlaube den Übergang zu einem »politische­n Prozess«, der zum Abzug ausländisc­her Truppen und zum Wiederaufb­au führen werde.

»Wir haben ein strategisc­hes Interesse daran, gute Beziehunge­n zu Russland zu haben.« Angela Merkel, Kanzlerin

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Foto: dpa/Sputnik/Sergey Guneev Der Beginn eines besseren deutsch-russischen Verhältnis­ses?

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